Eigentlich habe ich erst so spät darüber nachgedacht, dass ich es mir fast sparen wollte, darüber zu schreiben: Ja, die Musikzeitschrift „Spex“ wird nie mehr so sein wie sie war. Sie zieht zieht von Köln nach Berlin, sie erhält ein neues Redaktionsteam, sie wird nicht mehr monatlich, sondern nur mehr zweimonatlich erscheinen. Sie ist in einer finanziellen Krise und das soll sie retten. So weit, so Alltag im Magazingeschäft.
Doch für „Spex“ ist das wohl, so finden viele da draußen, der Anfang vom endgültigen Ende (Siehe hier, hier und hier). Das Blatt hatte früher einmal so etwas wie Diskurs-Hoheit über Popmusik. Das war mal spannend, mal unterträglich verkopft, mal einfach nur Mist. Und es war gut so.
Nun führt dieser Umzug zu einer Aufregung in diversen Foren, zu gegenseitiger Haß-Bekundung, zu Beschimpfung. Und das ist befremdlich. Denn „Spex“ hatte seine Meinungsführerschaft ohnehin schon lange aufgegeben. Mit der fast krankhaften Fixierung auf blasse Briten in engen Hosen vergaß sie die Suche nach Alternativen, die im Pop hinter jeder Hausecke entdeckt werden müssen, weil sonst das ganze System langweilig wird. Mit avantgardistischen Layout-Ideen sah das zwar alles toll aus, aber kaschierte trotzdem nur mauen Inhalt.
Weil ich in den nächsten Wochen umziehen werde und davor mein Zeitschriftenarchiv ausmiste (genauer gesagt: Ich werfe alles weg und vergeude vorher viel Zeit damit, darin zu blättern), habe ich auch alte „Spex“-Hefte in die Hand genommen. Melancholie verspüre ich dabei keine, weil ich nie passionierter – also regelmäßiger – Leser war. Eher pflichtbewusster, weil es eben sein musste, auch das zu lesen. Diese Interviews mit elfzeiligen Fragen, auf die ein verschlafener Songwriter dann mit „Vielleicht“ antwortete. Diese Rezensionen, die immer „Ich! Ich! Ich!“ schrien. Die verkrampfte Suche nach Relevanz überall, jedes Riff gleich Gesellschaftspolitik, jeder Beat gleich Revolution, jeder Ton gleich Hirn. Und nirgendwo Eier. Nein, das mochte ich eigentlich nie.
Es ist daher eine Veränderung, die mir nicht wehtut, wenn „Spex“ dereinst vielleicht nicht mehr sein soll. Und es ist symptomatisch, dass ein Blatt bedeutungslos wird, das sich auf die Fahnen geheftet hat, das Morgen – oder zumindest das Jetzt – des Pop abzubilden. Denn Derartiges leistet heute ein Medium wie das Internet viel besser, und es übernimmt den Vertrieb all der heißen Waren, der Lieder, um die es sich letztendlich immer noch dreht, gleich mit. Was am Markt der Musikmagazine daher bleibt, sind die, die bedingungslos an den immer schmäleren Inseratentöpfen der Plattenfirmen hängen, weil sie sonst zusperren müssen – mit dem Resultat, dass überall das selbe steht. Und es bleiben wohl auch noch jene ein bisschen, die für die letzten Plattenkäufer unter den Pop-Hörern konzpiert sind, für all jene, die es tatsächlich zum einhundertundsiebten Mal interessiert, wie Bob Dylan von 7. auf 8. November 1967 geschlafen hat.
Und darüber will ich jetzt wirklich nicht mehr nachdenken.