Lange Jahre dachte ich, wir seien unzertrennlich: meine Zeitschriften und ich. Ich stapelte sie schon in meinem Jugendzimmer chronologisch übereinander, meistens Musikmagazine und Computerblätter zum Atari ST, so ab 16, 17 war das, dann auch das „Tempo“, weil ich mich damit unglaublich meiner Zeit voraus fühlte. Ich wäre damals wohl der Traum der Tempo-Redaktion gewesen, wenn auch im falschen Alter: Den Texten dort völlig ergeben, auch wenn ich die Welt nicht einmal ansatzweise kannte, von der sie handelten. Die Autoren dort bewundernd, weil sie dermaßen tolle Hechte waren und sich alles trauten.
Doch ich schweife ab: Schon als Teenager verfiel ich dem Medium Zeitschrift, seinen Versprechungen von einer schöneren Welt, seinen implizierten Haltungen, seinen punktgenauen Zugängen, seiner Wichtigkeit. Und ich stapelte und stapelte, mit meiner Übersiedlung nach Wien 1993 immer mehr, weil der Zugriff ein ganz anderer war, und Morawa und der Westbahnhof mein Schlaraffenland. Vor allem erweiterte das mein Lesenverhalten in Richtung englischsprachige Blätter. Ich kaufte das Face, das Q, das Vox, das Wire, das wasweißich. Und ich stapelte, weil ich mich von nichts trennen konnte.
Weil ich auch mal für eine Zeitschrift schreiben wollte – heute weiß ich: alles halb so super – nannte ich die Papierberge vorauseilend „Archiv“, sortierte sie – und übersiedelte sie. Und da kamen dann schön langsam Zweifel am Konzept, dass sich mein Archiv mal als eine Art Biografie meiner Interessen lesen lassen könnte. Denn in erster Linie war es schwer und unpraktisch und mit dem World Wide Web begann sich ohnehin jeder Archiv-Gedanke aufzulösen. Wozu was aufheben, wenn es sowieso irgendwo digital zu finden ist? Eben.
Also kam meine Übersiedlung Ende 2003 – und damit das erste große Ausmisten. Die profile, die Spiegel, die sonstigen Nachrichtenmagazine flogen alle ins Altpapier. Es tat ein bisschen weh, weil viele Jahrgänge komplett waren, aber es erleichterte die Übersiedlung. Und nachdem der ganze Blödsinn weg war, war ich trotzdem nicht blöder als davor.
In zwei Monaten übersiedle ich wieder. Und ich habe dafür einen Entschluss gefasst, der mich überraschend wenig aufregt: Alles kommt in den Mist. Ja, auch die Face-Heftln. Und ja, auch die VOXe, die Spexe, die Brandeinse, die Qs, die Details’, die Neons, alle. Und gut, ein paar besondere Dinge wie Jubiläumsnummern und andere Prunkstücke dürfen bleiben.
Trotzdem: Ich hatte die vergangenen Tage eine schöne Zeit mit meinen Heftln, denn aussortieren und zum Altpapiercontainer schleppen heißt auch blättern und hin und wieder lesen. Zum Beispiel in einem Face, das auf die 90er-Jahre zurück blickt, die es – so zeigte die Geschichte – dann als Eighties- und New Wave-Relikt letztendlich nur mehr ein paar Jahre überlebte.

Oder in der ersten Ausgabe des Rolling Stone auf Deutsch von 1994, die bezeichnenderweise mit Elvis’ Gewändern am Cover daherkam – ein Retro-Zugang, der sich bei dem Heft bis heute als Programm durchzieht – und es auch furchtbar lähmt.

Oder wie sich der Spiegel, der dieser Tage 60 wurde, zu seinem 50er feierte: nämlich auch nicht anders.

Oder das Vox, eines meiner liebsten Musikmagazine in den 90er-Jahren, das dann nach einer Übernahme als monatlicher Ableger des NME positioniert wurde, was es endgültig tötete.

Oder das Wire aus dem August 1997 – einer Zeit, als in Wien plötzlich ein paar Popstars lebten, die Platten auflegten und Pulsinger, Tunakan, Kruder oder Dorfmeister hießen. Als das damals im Wire stand, waren alle recht glücklich.

Und jetzt? Alles weg. Danke für die Luft zum Atmen.