„Era Vulgaris”. So heißt die neue Platte der Queens Of The Stone Age. Sie ist toll geworden, jedes Lied hat riesige Hoden, der Schweiß tropft von den Wänden, im Tequila schwimmt ein Wurm, der Unvernunft wird ein Lied gesungen, da kann der Chef Josh Homme noch so glücklicher Vater sein, was sein muss, muss sein. Wer will, kann natürlich auch Rock’n’Roll dazu sagen, das meint auch nichts anderes.
Seit einigen Jahre mag ich nun die Queens Of The Stone Age sehr. Kyuss, die Band die Homme davor betrieb, kannte ich ein bisschen. Den „Feel Good Hit Of Summer“ hörte ich öfter. Aber erst recht spät dann, mit dem heimlichen Hit von 2002 – „No One Knows“ von „Songs For The Deaf“ – war’s dann geschehen. Ich hatte meine Rockband gefunden, die all den Hochwasserhosenträgern von der Kunstschule zeigte, was Eier sind. Vor allem: Die Queens, um den Namen einmal ein im zärtlichen Fan-Ton zu formulieren, sind live ein Naturereignis und wenn ich mich recht erinnere, geht meine Achtung für Josh Hommes Arbeit vor allem auf ein Open Air-Konzert während der „Songs For The Deaf“-Phase in der Wiener Arena zurück.
Egal, denn jetzt geht es um „Era Vulgaris“, das irgendwann demnächst erscheint. Heute ein bisschen im Büro und dann auf dem Heimweg gehört und schon ist die Erinnerung da. Ich war wegen der Queens Of The Stone Age nämlich einmal auf einem bezahlten Tagesausflug nach London. Das war im Februar 2005, ein paar Monate vor Veröffentlichung des Albums „Lullabies To Paralyze“. Damals war ich noch als Musikschreiber in den Verwertungszyklus der Musikindustrie eingebunden und da gehören so kleine Reisen dazu. Irgendwann im Morgengrauen zum Flughafen, irgendwann in der Früh in London sein, irgendwie die paar Stunden bis zum Interviewtermin totschlagen (sprich: irgendwas zwischen T-Shirt oder Schallplatte so überstürzt einkaufen, dass man es den ganzen Tag herum tragen muss und sich darob zu ärgern beginnt), am Abend wieder heim.
Es ging an diesem Tag, ich glaube es war ein Samstag, also um Josh Homme, Rock-Instanz und Queens-Chef. Ein großer rothaariger Bursche, der so aussieht, als würde er sich gerne prügeln, aber Leute, die so aussehen, sind meistens eh harmlos. Der Ort des Interviews war eines dieser aufgetakelten Designerhotels, die es in jeder Stadt gibt. Direkt neben dem Hyde Park war es und ich ging vor dem Interview ausgiebig spazieren. Der nette Kollege von der Stadtzeitung war auch dabei und so wurde mir nicht langweilig. Er war allerdings ein bisschen melancholisch, denn er wusste schon vor dem Interview, dass er von der zuständigen Plattenfirma offensichtlich als von einem weniger gewichtigen Medium kommend eingestuft worden war und daher die Arschkarte würde ziehen müsste: Interview mit dem Drummer.
Der Drummer ist bei Interviews mit Rockbands immer die Arschkarte, dicht gefolgt von Bassist und Gitarrist. Nur bei letzterem gibt es hin und wieder eine Ausnahme – dann, wenn er die Hälfte des Führungsduos einer Band stellt. Siehe Edge/Bono bei U2 oder siehe Richards/Jagger bei den Rolling Stones. Der Kollege von der Stadtzeitung jedenfalls verblieb mit dem Drummer im oberen Stock und ließ sich von ihm, wie er später erzählte, in vielen Varianten erklären, dass Musik wirklich, wirklich, wirklich sein Leben sei, während ich mit zwei anderen Journalisten (einer sprach gebrochen Englisch, einer gut, die Nationalitäten habe ich aber vergessen) einen Stock tiefer geführt wurde.
Dort lag dann Josh Homme in einem Hotelbett und hörte Musik. Seine Musik. Er hatte einen Hut ins Gesicht gezogen, der Kollege mit dem gebrochenen Englisch zupfte eine Digitalkamera aus seiner Trainingsjacke und fing wie wild an, Herrn Homme auf dem Bett liegend zu knipsen, der andere setzte sich auf den einzigen Sessel im Raum, ich stand blöd herum.
Irgendwann wurde dann ein Interview daraus, Herr Homme schnauzte berechtigterweise den Hobbyfotografen an, endlich aufzuhören, hustete sehr ungesund, bot uns Bier an – und ich nahm natürlich an, ein Rock’n’Roll-Gespräch, Sie verstehen. Das Gespräch war nett, aber an sich belanglos. Er spielte ein paar Lieder an, weshalb wir drei Journalisten ein bisschen mit den Füßen wippen und betreten in die Luft starren mussten, dann war‘s vorbei. Fazit: Ein netter Kerl, mit dem man nicht reden muss, wenn man seine Musik mag. Die ist nämlich das, was ihn und uns wirklich interessiert. Hätte er eine Botschaft abseits davon, wäre er ja auch was anderes geworden. Das ist es auch, was sich aus sehr vielen Musiker-Interviews ableiten lässt: Dass sie sinnlos sind, von einem Anlass getrieben, der eh auf CD oder im Konzert ohne viele Worte besser nachzuhören ist.
Apropos Konzert: Weil ich ja nicht mehr im Verwertungszyklus der Musikindustrie tätig bin, musste ich gestern bemerken, dass ich für Tickets zur Queens Of The Stone Age-Show am 19. Juni in der Arena hoffnungslos zu spät dran bin. Ausverkauft. Wer mir aus dem Dilemma helfen könnte, dem bin ich auf ewig dankbar – und hiermit Ende des Aufrufs.
Der Rest des Tages war damals übrigens so: Ein weiterer kleiner Spaziergang im Hyde Park, dann mit der Bahn nach Heathrow, dort einen fettigen Burger essen und dazu ein Bier mehr als notwendig trinken. Ich glaube, es schmeckte mir gar nicht, aber hey, es war ja als Rock’n’Roll-Tag geplant.