Sie dort rechts bei der Box zum Beispiel hat einen durchschaubaren Geschmack, der zu ihrem Äußeren passt, und kein Rhythmusgefühl. Und sie wünscht sich auch noch etwas, was Letzteres ganz besonders zur Geltung bringt: „Irgendwas“ von diesen ewig neuen britischen Null-Funk-Bands.
Er da links auf der Stufe zum Beispiel hat einen eher klassischen Rockisten-Geschmack, doch weil es schon nach zwei Uhr früh ist und der Bierkonsum dementsprechend, muss er schon am Rand der Tanzfläche sitzen und mit dem Fuß wippen.
Und sie vom Tisch ganz hinten zum Beispiel wiederum bestellt bereits zum dritten Mal „was Härteres: Habt ihr Guns’n’Roses?“, fragt sie. Haben wir nicht, leider.

Passiert ist das alles ja so: Ein Freund hat mich zum richtigen Zeitpunkt erwischt. Er solle auf einem Fest auflegen, wo er keinen Menschen kenne – und weil wir früher oft gemeinsam Feste beschallt haben, wo wir zumindest die Hälfte der Anwesenden kannten, hätte er für diesen Abend gerne mich dabei. Neue Herausforderung, altes Team, so in etwa. Nüchtern hätte ich nein gesagt. Vorher eine Coverband durchhalten und dann um Mitternacht erst loslegen? Da bin ich schon müde. Nicht wissen, was die Leute wollen und es niemandem recht machen? Daran soll zugrunde gehen, wer damit sein Brot verdient. Aber wie gesagt: Ich war nicht mehr nüchtern und hatte in den Tagen danach auch schon wieder vergessen, was ich da zugesagt hatte.
Daher am vergangenen Freitag ein erster offizieller Auftritt als DJ-Duo, der Name war so bescheuert, dass ich ihn nicht einmal hier verrate, aber zu meiner Verteidigung auch sagen muss, dass er ohne mein Wissen entstanden war.
Das hieß: Drinks auf die Gastgeberin (Ein fieser Deal, weil er sich nicht hemmungslos ausnützen lässt, ohne irgendwann die notwendigen Knöpfe am Pult nicht mehr zu finden), in einem Lokal herumstehen, das ich vor gefühlten hundert Jahren regelmäßiger besucht habe, die Anlage nicht kapieren, einen halbstündigen Stromausfall aussitzen, den Kollegen loslegen lassen, nach ein paar Songs wissen, wie es besser geht, übernehmen, die Party steigen lassen.

Es war ein großartiger Abend. Denn wer kann sonst ohne das Bier zu bezahlen mit den Lieblingsliedern in höllischer Lautstärke ein Lokal unterhalten, Wünsche ignorieren, Menschen beobachten? Eben. Wer will nicht gerne Leute wie die mit dem durchschaubaren FM4-Geschmack, den Rockisten und die liebenswerte Dame mit der Guns‘n’Roses-Verwirrung bedienen, indem er alle eher leer ausgehen lässt und trotzdem nicht beleidigt? Eben.
Es blieben alle auf der Tanzfläche. Und am Schluss kam die Gastgeberin (alles Gute zum 30er übrigens) und bat um unsere Karte. Es hätte nämlich ein paar Anfragen für unsere Dienste auf anderen Festen gegeben. Wir hatten natürlich nichts vorzulegen, aber ich habe ihr soeben ein Email geschrieben. Dass die ganze Chose eigentlich eine Premiere war, habe ich ihr übrigens auch darin verschwiegen. Wenn es keiner gemerkt hat, muss es auch keiner wissen. Und wenn niemand erkennen will, dass Auflegen keine Kunst ist und der gemeine DJ ein Scharlatan – mir soll es bitteschön recht sein.