… aber ich kannte es sehr genau. Später Sonntagnachmittag im Dezember auf dem Hauptbahnhof in Linz. Alles sieht dort mittlerweile ganz anders aus als vor zehn Jahren, alles glänzt, alles ist Service, alles ist neu. Aber es gibt Regungen, die stärker sind als die neue Verpackung. Linz und ich, wir werden wohl nie mehr harmonisch zusammen kommen. Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass ich aus Gründen einer Beziehung früher oft hin gefahren bin – und meistens an Sonntagen wieder zurück, an denen die Stimmung in der Erinnerung immer so war wie gestern. Der andere ist, dass ich die Stadt zum falschen Zeitpunkt (vielleicht wäre irgendwann während dieser Jahre der richtige gewesen, keine Ahnung, aber dieses Buch sollte wohl gelesen werden) und von der falschen Seite her kennen gelernt habe.
Die falsche Seite heißt Kleinmünchen, wo selbst der Blick vom Balkon ins Grüne trostlos ist. Dort haben meine Wochenendreisen immer geendet. Mit der Straßenbahnlinie 1 eine halbe Ewigkeit ins gesichtlose Nirgendwo, dann gute zehn Minuten Fußmarsch entlang des Wasserwalds – das kombiniert mit Nebel macht sehr traurig. Irgendwie fanden wir (wir, weil die Frau, wegen der ich nach Linz fuhr, schon lange mit mir in Wien lebt) von dort draußen nicht in die Stadt hinein. Kein Lokal, in dem wir uns wohl fühlten. Keine Stadtansichten, die unsere Stimmung hoben. Nichts. All das hat damals die positiven Erinnerungen an Linz aus der Kindheit überlagert. Pöstlingberg und Grottenbahn, Spielzeugabteilung im Passage-Kaufhaus, Mittagessen beim Chinesen, die große Frage, was Bindermichl eigentlich heißt, alles weg.
Natürlich ist das nicht die Schuld von Linz. Wie es heute dasteht, weiß ich nicht einmal richtig. Die Kulturhauptstadt 2009 wird die diversen Szenen schon noch antreiben. Das Ars Electronica Center oder das Lentos sind natürlich famos, aber leider nicht für jemanden, der in Linz immer den Blues kriegt. Daran wird sich wohl nichts mehr ändern. Als ich vorgestern in Wien ankam, fühlte ich mich erlöst. Und wer sich darüber freut, an einem Sonntagabend durch den überfüllten Westbahnhof zu drängen, hat entweder ein Problem mit sich – oder im konkreten Fall mit Linz. Da entscheide ich mich doch zur Sicherheit dafür, dass ich nicht schuld bin – und beende hiermit diese zufällig entstandene Serie der Stadtkritiken, ehe sie noch richtig angefangen hat.