Viel brauchen Deutschlands Denker im Feuilleton ja nie, um eine Debatte vom Zaun zu brechen. Doch dieser Tage ist es wohl besonders wenig. Da gibt es erstens den Hollywoodstar namens Tom Cruise, der einen ziemlichen Vogel hat und das der Welt als Scientology-Prediger zu beweisen gedenkt. Da gibt es zweitens Guido Knopp, Deutschlands öffentlich-rechtlichen Oberhistoriker, der in den vergangenen Jahren die nationalsozialistische Führungsriege fürs Hauptabendprogramm im Fernsehen hübsch gemacht hat. Und da gibt es die „Bild“-Zeitung, die als Boulevardblatt sowieso immer laut schreien muss.
Nun geschah es, dass von Tom Cruise zwei lustige Videos in Internet gelangten. In einem (zum Beispiel hier zu sehen) erzählte er von seiner Erleuchtung durch Scientology. Und in im anderen, es ist angeblich vier Jahre alt, predigt er vor seinen Scientology-Freunden auf irgendeiner überkandidelten Hausmesse. Er sieht dabei aus wie Tom Cruise (er lächelt, und wie), redet Stuss und ruft dann der Menge zu: „So what do you say? We clean this place up?“ Die Reaktionen sind „Yeah“-Rufe und Applaus. Dann geht er ab.
Das Filmchen zeigt vor allem einen Menschen, der sehr leidenschaftlich an etwas glaubt. Doch Guido Knopp sah darin mehr. Er fühle sich an die berüchtigte Sportpalast-Rede von Joseph Goebbels erinnert, sagt er der „Bild“-Zeitung – also an jene Veranstaltung, bei der Goebbels am 18. Februar 1943 der Menge die rhetorische Frage stellte: „Wollt ihr den totalen Krieg?“. Mehr ist dann nicht mehr notwendig, um einen alten Reflex zu bemühen. Da geschehen doch befremdliche Dinge bitteschön, da begeistern sich komische Menschen für komische Lehren, da plane doch sicher jemand die Weltherrschaft, das müssen einfach alles Nazis sein – und wenn nicht ganz, so doch zumindest irgendwie. Danke, dass das auch endlich geklärt wäre.
Man kann zu Scientology stehen wie man will (am besten ist wohl, man lehnt die Lehre ab wie alles andere, was Anhänger derart indoktrinieren kann wie den wildgewordenen Herrn Cruise und vergisst die Sache wieder), aber mit der Nazi-Keule loszuschlagen ist wohl der dümmste Weg der Auseinandersetzung. Die ist dann nämlich tot, bevor sie überhaupt angefangen hat.
Oder wie es Tobias Kniebe heute in der Süddeutschen Zeitung schreibt: „Der größte Profiteur wird am Ende Tom Cruise und seine Sekte selbst sein – weshalb die verbliebenen Kräfte der Vernunft in diesem Moment einfach beschließen sollte, dass 2008 dann lieber doch nicht sein Jahr werden wird.“ Da muss man dann aber leider sagen: Das wird wohl nichts. Denn schon dass Tom Cruise in seinem letzten Film „Lions For Lambs“ kaum jemand sehen wollte (im Regiestuhl saß immerhin der zerfurchte Denker Robert Redford), war egal. Der Mann hat seine beste Rolle als esoterischer Scientology-Prediger gefunden. Als solcher wird er uns wohl noch lange erhalten bleiben. Als Nazi hingegen hätten ihm seine Freunde schon längst einen Maulkorb verpasst.