Ja, ich trage oft eine Umhängetasche, die so aussieht wie landauf und landab getragene Umhängetaschen aussehen. Sie eignet sich nämlich vortrefflich zum Radfahren, bietet Platz für mein Notizbuch, meinen Terminkalender (die altmodische Variante mit Papier und Stift), eine oder mehrere Zeitungen, den iPod samt Verbindungskabel und die kleine externe Firewire-Festplatte (vier Jahre alt und 40GB, falls es jemanden interessiert).

Ginge es nach dem neuen Buch des deutschen Autors Martin Reichert („Wenn ich einmal groß bin. Das Lebensabschnittsbuch für die Generation Umhängetasche.“) müsste ich dann, wenn ich zu Hause bin, in meiner Bibel namens NEON blättern. Immer den Tränen nah, weil mich diese Redaktion so was von versteht. Schließlich werden in dieser Zeitschrift auf mehreren Seiten Fragen der Tragweite „Bin ich bereit für ein Kind?“ mit „Vielleicht“ beantwortet, anstatt einfach zu sagen: Tu’s oder tu’s nicht. Und hör’ auf deine Umwelt damit zu belästigen. Es ist ja schließlich nur ein Kind.

Reichert, der dieser Tage durch die deutschen Medien gereicht wird (und diese Woche auch im Falter von seinen Beobachtungen aus der selbsternannten Umhängetaschenhauptstadt Berlin erzählt) ist nicht der erste, der sich mit dem Phänomen einer recht komischen Generation auseinander setzt. Man könnte ihre rund 30-jährigen Vertreter auch Generation Praktikum oder Generation Golf oder sonst wie nennen. Und man erläge damit den gleichen Denkfehlern wie schon andere vor Reichert.

Er nimmt nämlich sich und die Umhängetaschen seiner Freunde viel zu wichtig. So als würden tatsächlich alle Dreißigjährigen Mitteleuropas in gentrifizierten Stadtvierteln an ihren Kreativ-Jobs verzweifeln. So als zeigte es tatsächlich das Abbild einer Generation, wenn man schnell in seinem Stammcafé den Blick durch den Gastgarten streifen lässt. Den 30-jährigen Koch aus Anatolien, der hinten in der Küche Basilikum zupft, sieht er dabei allerdings genau so wenig wie den 30-jährigen Automechaniker (Wie auch: Er fährt schließlich Rad.), den 30-jährigen Postler, den 30-jährigen Straßenbahnfahrer oder die 30-jährige Vorstadtfriseurin – zu der geht er ja auch nicht, denn an seine zerzauste Frisur darf nur eine Künstlerin ran, die in einem originell getauften Studio werkt, das nebenbei auch überteuerte Jeans verkauft.

Womit wir bei der guten Nachricht wären: Die von Reichert Porträtierten mögen zwar ziemlich lebensfremde Deppen sein, aber weh tut sie trotzdem keinem. Schließlich sind sie nur eine Minderheit. Und daher besteht Hoffnung, dass mir die Freude erhalten bleibt, in einer Gegend zu wohnen, wo nicht alle daherkommen wie ich. Sonst müsste ich mir glatt ein Auto samt Aktentasche kaufen, und das will ich nun wirklich nicht.