Zwei Diebe. Illustration von Wilhelm BuschWas bin ich, wenn ich dir eine Langspielplatte wegnehme? Ein Dieb. Und was bist du, wenn du dir die Songs auf deiner LP per Filesharing-Netzwerk noch einmal herunterlädst? Auch ein Dieb. Das sagen zumindest die, die bisher mit dem Verkaufen von Musik ihr Geld verdient haben.

Spätestens seit dem auch auf ZiB21 immer gerne besprochenen Pirate Bay-Prozesses wird viel über Urheberrechte geredet. Davon, dass Künstler vor den Dieben da draußen beschützt gehören. Davon, dass Diebe bestraft gehören. Davon, dass früher alles besser war, weil da höchstens ein paar arme Teenager die Radio-Hitparade auf Audio-Kassetten mitschnitten.
Viel an der Diskussion ist vor allem deshalb ärgerlich, weil von der Wahrung der Urheberrechte gefaselt wird, während in Wahrheit Verwertungsorganisationen ihr bisheriges Geschäftsmodell zerbröckeln sehen. Sie reden von Recht und Moral. Und sie wollen Macht und Geld. 

Filesharing ist nicht prinzipiell Diebstahl, sondern bloß ein technischer Vorgang. Natürlich verdient die Content-Industrie keinen Cent, wenn sie nicht wie früher ihren Kunden ihr Zeug zuerst auf LP und dann auf CD verkauft. Und natürlich sieht auch der Urheber – der Künstler, um in der Musik zu bleiben – keinen Cent davon. 
Womit wir beim Lösungsansatz der immer wieder angesprochenen Kultur-Flatrate wären, die für Internet-Anschlüsse als zusätzliche Gebühr kassiert werden könnte. Sie geht davon aus, dass jeder Internet-User gratis Güter konsumiert und lädt, für die jemand auch monetäre Wertschätzung verdient. Die eingehobenen Gebühren werden daher wieder an die Künstler ausgeschüttet.

Das klingt vernünftig, hat aber natürlich für jene, die heute um die Rechte der Urheber kämpfen (beim Pirate Bay-Prozess waren das unter anderem Warner Brothers, Sony Music Entertainment, EMI und Columbia Pictures) keine Relevanz. Alle die genannten Parteien wären in so einem Modell nämlich mehr oder weniger überflüssig
Nun stand gestern in der gewohnt gut informierten Futurezone folgender Satz zu lesen:

„Die Medienindustrie versucht derzeit weltweit, Regierungen zur Verabschiedung von Gesetzen zu bewegen, die von ihr identifizierte mutmaßliche Urheberrechtsverletzer zwangsweise vom Internet abkoppeln.“

Und auf Netzpolitik.org schrieb Ralph Bendrath über die Entwicklung in Deutschland:

„Sie verwandeln den ersten vollständig transnationalen offenen Kommunikationsraum in eine kontrollierte Maschine, die nur noch das zulässt, was vorher technisch erlaubt wurde.“

Hintergrund dieser Szenarien ist das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), das derzeit zwischen der EU, den USA und Japan ausgehandelt wird. Es ist umstritten, weil bei entsprechender nationaler Umsetzung auch in Österreich mutmaßliche Urheberrechtsverletzer auf Zuruf von ihren Providern vom Netz genommen werden müssten.
Das klingt aus der Sicht der Content Industrie logisch, ist aber aus Sicht des normalen Users fatal: Wer eine Infrastruktur für Netzsperren errichtet, errichtet erstens auch eine Infrastruktur für Zensur. Und schert sich zweitens wieder einmal einen Dreck um die Urheber.

Gut möglich, dass diese absurde Diskussion auch damit zu tun hat, dass sich im Falle der Digitalisierung die technologischen Möglichkeiten schneller entwickeln als ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Nur ist das keine Entschuldigung für Entscheidungsträger, sondern ein weiterer Grund für den Siegeszug weniger Digital Natives im Stil der Pirate Bay-Buben. Die werden dann als Robin Hoods verkannt. Und die verhelfen den Urhebern genau so wenig zu ihrem Recht wie ihre Ankläger.

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Weiterführende Links

Marcel Weiss auf netzwertig.com: Deutschland degeneriert in ein Entwicklungsland, der erste von drei Teilen einer Serie.
Ralph Bendrath auf netzpolitik.org: Der Kampf der Kulturen
Patrick Dax in der Futurezone: Provider-Sorgen wegen Anti-Piraterie-Pakts