Jössas, gleich geht’s wieder durcheinander: Wenn Euro-Parlamentarier in spe an ihren Wählern vorbei reden.

Jössas, gleich geht’s wieder durcheinander: Wenn Euro-Parlamentarier in spe an ihren Wählern vorbei reden. Foto: Screenshot

Ernst Strasser von der ÖVP geißelt die Gier der Finanzmärkte – herzig. Hannes Swoboda von den Roten hasst seinen ehemaligen Parteigenossen Hans-Peter Martin – inbrünstig. Andreas Mölzer von der FPÖ ist Andreas Mölzer –langweilig. Ewald Stadler vom BZÖ versucht Swoboda zu einer absurden Unterschrift wegen der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu bewegen – es juckt in der Faust. Hans-Peter Martin weiß über die Sitzungsdisziplin der Anwesenden Bescheid – brav, setzen. Und dann noch Ulrike Lunacek von den Grünen. „Wir sind die einzige Pro-Europa-Partei“, erklärt sie zum Abschluss.

„Na und? Eh wurscht!“, schreie ich in den Fernseher, und wieder einmal hört mich keiner.

Europa ist in Österreich ein abstraktes Monster, das irgendwo weit weg schläft und nur aufsteht, um unseren Bauern die Milch auszutrinken.
Europa ist in Österreich vor allem Glühbirnenverbot und Türkengefahr.
Europa ist nichts für uns.

So gesehen war die Strategie der FPÖ begnadet, weil sie eine Wahl, die dazu da ist, Europa mitzugestalten, zu einer Art „Raus aus der EU!“-Volksabstimmung umdeuten konnten. Das ist zwar weitest möglich vom eigentlichen Thema weg, aber wenn niedere Instinkte ihr Ventil suchen, ist Inhalt bloß ein Hindernis. Und darum fürchten sich jetzt schon alle zu Recht vor einem Siegeszug der FPÖ. Sie hatte als einzige in diesem Wahlkampf eine Idee, die jemand verstand. Sie war die einzige Partei, die der Unterschicht nicht unterstellte, dass sie so blöd ist wie sie aussieht.

Ansonsten weiß ich bereits, was ich kommenden Sonntag tun werde: Mich wieder darüber ärgern, dass in diesem Land keine Piratenpartei in die Gänge gekommen ist. Nicht so wie in Schweden, wo das Urteil über die Internet-Tauschbörse Pirate Bay zu so breiter Öffentlichkeit geführt hat, dass die Piratenpartei möglicherweise die Fünfprozenthürde in Richtung Europaparlament schaffen könnte.

Nicht, dass die Piraten etwa eine Lösung für die Wirtschaftskrise haben. Die ist ihnen viel zu kompliziert. Sie wollen bloß die offene Gesellschaft erhalten, gegen Überwachung und Datensammlung kämpfen – und nebenbei die althergebrachten Urheber- und Patentrechte abschaffen.
Und den Piraten gelingt es damit, eine tatsächlich existente Jugendbewegung um sich zu scharen, der bisher ein offizielles Sprachrohr fehlte. Eine Generation, die mit dem Netz aufgewachsen ist und sich einen Dreck um althergebrachte Verwertungszyklen schert. Eine hochgradig mobile Masse voller kluger Köpfe, die mittlerweile auch honorige alte Herren wie den schwedischen Autor Lars Gustafsson begeistert, der vor ein paar Tagen öffentlichkeitswirksam seine Stimme den Piraten geschenkt hat (hier eine englische Übersetzung seines klugen Statements).

Aber vor allem macht die Piratenpartei (ich nehme an: zufällig) genau das, was in Österreich und auch anderswo in Europa noch keiner kapiert: Junge Menschen gehören nicht für dumm erklärt, sondern nur verstanden. Junge Menschen gehören in ihrem Lebensumfeld – also meist im Netz – abgeholt und in Richtung politisches Denken geführt. Und junge Menschen wären bei so einem Zuspruch – behaupte ich – schneller von HC Strache und Mölzer weg als die beiden Herren einen ihrer idiotischen Slogans ersinnen können.

Doch weil es das nicht spielt, bleibt am Sonntag die Wahl zwischen Not und Elend. Wie schon eingangs erwähnt: Wieder einmal hört mich keiner.