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Zuerst einmal muss ich mich bei Elly Jackson entschuldigen. Gestern zeigte unser Fernseher den ganzen Tag lang das Video zu La Roux‘ Song „Bullettproof“, und ich formulierte dazu eine fetzigen Satz, der die Kleidung der 20jährigen Sängerin aus England lächerlich machte. Ja, das gehört sich nicht. Und blöd ist es auch, ich weiß.

Aber wir reden hier von Pop, und da ist Blödheit Teil des Spiels. Mal sind es gerade blöde Menschen, die wir zu Helden verklären. Mal ist es gerade blöde Musik, die am meisten Spaß macht. Und mal sind wir einfach zu blöd, um das Richtige gut zu finden.
Ehe das jetzt zu weit führt, kehre ich wieder zu Miss Jackson zurück. Nach dem Verfassen der geringschätzigen Zeilen stolperte ich ein paar Stunden später über ein Interview, in dem sie auch über ihren Stil sprach. Darin fielen folgende Worte:

I know that there’s far more ways to be sexy than to dress in a miniskirt and a tank top. If you’re a real woman you can turn someone on in a plastic bag just by looking at them. That’s what a real woman is, when you’ve got the sex eyes. I think you attract a certain kind of man by dressing like that. Women wonder why they get beaten up, or having relationships with arsehole men. Because you attracted one, you twat.

Frauen in kurzen Röcken sind also selber schuld, wenn ihnen Schlimmes geschieht, sagt sie sinngemäß. Das hat wie zu erwarten ein paar Frauen verärgert. Christina McDermott vom Guardian etwa, die in ihrem Blog Jacksons Aussagen als gefährlich abkanzelt – und damit in der Kommentarsektion eine ausufernde Diskusson losgetreten hat.

Nun ist es noch gefährlicher, als Mann über solche Dinge öffentlich nachzudenken. Es gilt zwar die Unschuldsvermutung, aber bei potenziellen Vergewaltigern wird ihr Prinzip gerne ein bisschen aufgeweicht. Natürlich darf es in Wahrheit nicht sein, dass Kleidung (in diesem Fall sehr kurz gehaltene) als Nimm mich-Aufforderung missverstanden wird. Und leider ist es in Wahrheit doch oft genug so, dass sie genau dafür eingesetzt wird. Das lässt sich nicht ändern, ist Teil diverser Ausgeh-Rituale und lässt sich auch von ein paar Jahrzehnten Feminismus nicht aus der Welt schaffen.

So gesehen ist es erfreulich, dass Elly Jackson das Thema im zitierten Interview anspricht. So nimmt sie wenigstens all jenen die Argumente weg, die sie als Teil einer neuen Frauenbewegung in der Popmusik sehen. Solche Gruppen werden von Beobachtern meist recht schnell ersonnen, und dieser Tage liegt es besonders auf der Hand. Da wäre Beth Ditto von Gossip, offensiv lesbisch und übergewichtig. Da wäre Lady Gaga, offensiv gaga. Da wäre Little Boots, auch ein Inselgeschöpf und offensiv Nerd. Und da wäre mit La Roux (sieht man einmal davon ab, dass Jackson das Projekt gemeinsam mit einem Mann, Ben Langmaid betreibt) schon ein Trend, der sich hübsch erzählen lässt (zum Beispiel hier und hier) Ein bisschen Gender-Blabla, ein bisschen Abgesang auf die E-Gitarre, fertig.

Keine Sorge Mädels, sagt da der potenzielle Vergewaltiger: Das ist doch alles eine Ebene zu hoch angesetzt. Diese Damen sind nur perfekte Pop-Geschöpfe ihrer Zeit. Die denken keine Sekunde über Gender-Kram nach, sondern tun, wozu sie berufen sind: Raus gehen, so laut wie möglich sein, wenn möglich nicht denken. Womit wir wieder bei einer der anfangs angedeuteten Essenzen des Pop wären. Ein bisschen Blödheit gehört dazu. Und wer das Frauen wie Elly Jackson vorwirft, glaubt wahrscheinlich immer noch, dass Musik Kriege verhindern kann.
Im Übrigen machen La Roux vernachlässigbare Musik. Sie schreiben sehr gute Melodien, aber betten sie auf Synthie-Sounds, die klingen wie Computerspiele aus den 80er-Jahren. Ich kann das nicht hören, weil ich dabei dauernd an Erasure denken muss. Und weil ich jetzt schon wieder an Erasure denke, hat das Duo damit endgültig verspielt.

Weiterführende Links
Offizielle Website von La Roux
La Roux bei MySpace