maedchen_kopfhoerer

Peinliche Fragen, Folge eins: „Hallo junge Dame, was hörst du so?“ Foto: flickr.com/pulpolux, cc-by-nc

Du solltest dich am Freitag einmal den Hörgewohnheiten der im Lande am Rande diskutierten Generation 20 bis 29 widmen, sagte der Kollege. Hm. Also vielleicht den Soundtrack zu Lady Gagas vermeintlichem Penis. Hm. Schon nach einmal Überschlafen weiß ich: Das ist eine schlechte Idee, denn ich kenne die Hörgewohnheiten dieser Generation nicht, weil sie mir wurscht sind. Ich kenne ja nicht einmal mehr die Hörgewohnheiten der Menschen in meinem Umfeld. Früher war das anders, da war ich über die komplexen Abgrenzungsmechanismen in Sachen Musikgeschmack noch bestens informiert, konnte meistens mitreden und im Falle des Falles auch Sachen kaputt reden, die das sicher nicht verdient hatten. Angeben mit ausgefallener Popmusik – eine schreckliche Angewohnheit, aber zu meiner Entschuldigung sei gesagt, dass ich mich nie für Autos interessiert habe.

Aber bitte, man kann es ja zumindest einmal versuchen: Also, mein lieber 20- bis 29-Jähriger, was hörst du so?
Er: Hm. Ähh. Weiß nicht.
Ich: Das darf doch nicht sein. Musikgeschmack ist wichtig. Hilft, Freunde zu finden. Bildet die Persönlichkeit. Nervt Mitmenschen mit anderen Problemen, wenn du dich damit wichtig machst.
Er: Weißt du was? Schleich dich!
Ich: Gib wenigstens zu, dass du Lady Gaga hörst. Du bist genau im richtigen Alter dazu.
Er: Hast du nicht verstanden? Schleich! Dich!

So eine fiktive Unterhaltung ist ein guter Selbstschutz. Sie hindert einen zum Beispiel daran, sich anzubiedern und auch davor, einem Denkfehler auf den Leim zu gehen. Es gibt in der Musikrezeption keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen mehr, schon lange. Den meisten Leuten ist Musik wurscht, sie ist einfach da. Ein paar wenigen ist sie wichtig – egal, wie alt sie sind. Die freuen sich dann wie kleine Kinder, wenn sie neue Lieder entdecken, die sie zu Tränen rühren oder Lärm, der ihnen das Hirn durchputzt. Aber dezidierte Musik für Junge gibt’s genau so wenig wie eine für Alte. Wenn das so wäre, käme vielen Menschen ein wichtiges Instrument abhanden, das ihnen trotz fortschreitenden Alters einen Hauch von Jugend erhält.

In diesem Sinne soll doch die Generation 20 bis 29 hören, was sie will. Sie hat ohnehin größere Sorgen. Und wenn es ihr dabei hilft, von Lady Gagas Penis zu träumen, ist das auch gut. Ich entdecke jedenfalls weiterhin nur mehr die Musik, die ich will – und nicht mehr wie früher als bezahlter Musikschreiber die Musik, von der ich dachte, dass andere sie in dem Medium entdecken wollten, für das ich schrieb.

So waren auch die bisherigen Texte zum Thema angelegt. Mir gefällt etwas oder nicht. Und wenn mir was dazu einfällt, gibt‘s einen Text dazu.

Oder soll ich vielleicht von Elvis und seinem Konzertfilm „That‘s The Way It Is“ erzählen, den jeder mindestens zehn Mal in seinem Leben gesehen haben sollte? Oder davon, dass ich vor ein paar Tagen viel zu viel Zeit im neuen Beatles-Channel auf Youtube verbracht habe, weil dort echte Schätze in famoser Qualität lagern?

Er: Heast schleich dich endlich, du hoffnungsloser alter Trottel!
Ich: Junger Mann, ich bin noch nicht einmal 35, aber wahrscheinlich hast du recht.