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Ikonografische Bilder muss man nicht herzeigen, um damit Geschäfte zu machen. Aber klicken Sie ruhig, um den Rest zu sehen. Foto: Charles Williams, flickr.com/photos/charlesonflickr/, Lizenz: cc-by

Britney Spears und die Nullerjahre: Die Sängerin ist spät in mein Leben getreten, aber dafür mit einer überraschenden Wucht.

Es handelt sich hier um keine persönliche Begegnung, sondern um eine inhaltliche Wucht, die entsteht, wenn man sehr viel über etwas nachdenkt, das einem bisher vor allem sehr wurscht war. Diese Wucht hatte ich einem dringend notwendigen Jobwechsel zu verdanken, vom bemüht coolen Monatsmagazin zum bewusst populistischen Society-Heft. Nur der Vollständigkeit halber: Die Hintergründe für diesen Wechsel sind persönlich und an dieser Stelle unerheblich, doch wer die Muße hat, allgemein gehaltene Kommentare zur Verwerflichkeit von Society-Medien abzugeben, ist herzlich dazu eingeladen – ich kenne die meisten Argumente und werde daher recht schnell antworten.

Bleiben wir also bei Britney Spears und erzählen kurz ihre Anfänge: Ihr Debütalbum „…Baby One More Time“ erschien im Jänner 1999, bewegte aus dem Stand ein paar Millionen Menschen dazu, es auch zu kaufen, und war der Höhepunkt jenes Un-Sounds, der schon die Jahre davor geprägt hatte. Er stammte aus der Feder des Schweden Max Martin und wurde meistens von den Backstreet Boys oder *NSYNC interpretiert. Die Supernova einer Max Martin-Hookline war Britney Spears, das unschuldige Mädchen in Schuluniform, mit dem nicht nur Geschlechtsgenossinnen gerne durch die Schule getanzt wären, sondern auch ältere Herren am liebsten verbotene Dinge getan hätten.

„Hit Me Baby One More Time“ sang sie schließlich, und das war schon auch so gemeint. Ob von Frau Spears selbst, darf allerdings bezweifelt werden. Wenn jemand die Antithese zum selbstbestimmen Leben in den vergangenen Jahren öffentlich vorführte, dann sie. Und das, so wissen wir heute, konnte nicht gutgehen. Aus dieser Frau musste was raus. Blöd nur, dass es der falsche Zeitpunkt war, um dabei halbwegs privat und gesund zu bleiben.

Als Britney Spears sich im Februar 2007 ihren Kopf rasierte, war sie dank eines sehr authentischen White Trash-Lebenswandels (den größtmöglichen Trottel heiraten und von ihm zwei Kinder kriegen) bereits der größte Umsatzbringer im Paparazzi-Business. Die größte Agentur in Los Angeles, x17 Inc., hatte damals 15 Fotografen allein auf sie abgestellt, um die Nachfrage nach Bildern stillen zu können.

Sicher, es gab auch Lindsay Lohan, Nicole Richie und all die anderen. Aber Britney beim Tanken, Britney beim Kaffeeholen, Britney beim Falschparken – das waren die Bilder, die alle wollten. Es wird bis heute erzählt, dass Frau Spears in diesen Jahren für 20 Prozent des Umsatzes bei den einschlägigen Fotoagenturen gesorgt hatte (auch in dieses mit zeitlichem Abstand noch noch sehr lesenswerte Stück Old School-Journalismus in Atlantic Monthly).

Dieser Irrwitz hatte vor allem mit neuartigen Celebrity-Magazinen zu tun, die in den Nullerjahren plötzlich aus dem Boden geschossen waren, zuerst in den USA, dann auch in Mutationen in Europa. Sie heißen intouch, Star Magazine oder Ok!Weekly, sie werden „Fabloids“ genannt, sie scheren sich also nicht um die Wahrheit, sondern bloß um die Geschichten, die sich zu Paparazzi-Fotos erfinden lassen. Aus journalistischer Sicht waren diese Hefte ein Drama, aus kaufmännischer ein Traum, denn das vorwiegend weibliche Publikum interessierte sich nicht für die Wahrheit, sondern wollte unterhalten werden. Die Fabloids jedenfalls waren eine Erfolgsgeschichte, und wenn ihnen nicht die Wirtschaftskrise dazwischen gekommen wäre, die in den USA bereits tiefgreifendere Auswirkungen auf die Medienindsutrie hat als hierzulande, wäre sie das vielleicht noch immer.

Die Trennung von Brad Pitt und Jennifer Aniston war der Anfang des Höhenflugs der Fabloids. Das Konstrukt Brangelina heizte ihn noch an. Britney war der Höhepunkt. Und jetzt, mitten in der Rezession, steht die Branche knapp vorm Sturzflug. Irgendwie auch logisch, selbst inhaltlich ist nichts mehr so, wie es in den überhitzten Jahren 2006 und 2007 war: Nicole Richie ist heute zweifache Mutter. Lindsay Lohan ist so lange in prekärem Zustand fotografiert worden, bis die Bilder keiner mehr wollte. Und Britney Spears ist überraschend genesen. Wieder auf Tournee, neuer Freund, immer noch White Trash, aber ihre Pubertät hat sie so erfolgreich nachgeholt, dass keine weitere ansteht.

Gute Fotomotive sehen jedenfalls anders aus als Britney Spears. Und gute Geschäfte im Paparazzi-Business sehen damit auch anders aus als früher. Nicola LaPorte berichtete vor ein paar Tagen im Daily Beast davon, dass dieser Tage ein durchschnittlicher Celebrity-Shot um ein knappes Drittel weniger kostet als noch vor zwei Jahren. Das Paparazzi-Geschäft der Nullerjahre, so die These, ist gerade im Begriff zu implodieren. Die Magazine, die ihnen früher ihre Bilder um teures Geld abgenommen haben, leiden unter Auflagenschwund und müssen ihre Budgets radikal kürzen. Die Celebrity-Junkies wandern endgültig ins Netz ab, weil ihnen Portale wie tmz.com doch näher dran an der Materie sind als die Fabloids. Und Brandy Navarre, Teilhaberin von x17 Online, spricht daher bereits von der „Post Britney Era“. Dass sie damit keine rechte Freude hat, liegt auf der Hand. Dass das just zum Ende der Nullerjahre geschieht, ist ein schöner Zufall. Frau Spears ist damit weder dem Rock’n’Roll zum Opfer gefallen, noch den dubiosen Geiern um sie herum.

Und das beste daran: Die Wucht, mit der mich Britney Spears vor ein paar Jahren erwischt hat, ist heute sanfter Ruhe gewichen. Wenn die noch ein paar Jahre anhält, haben die Nullerjahre tatsächlich ihren Zweck erfüllt. Den, dass sie irgendwann einmal einfach vorbei sind.

P.S.: Auch wir von ZiB21 haben bemerkt, dass das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts rapide dem Ende zugeht. Darum werden wir uns in den nächsten Wochen immer wieder an die Nullerjahre erinnern – war ja schließlich ein komisches Jahrzehnt, gibt ja schließlich viel daraus zu erzählen.

Weiterführende Links:
The Britney Economy auf Portfolio
The Tragedy Of Britney Spears im Rolling Stone