"Greed is good": Der böse Spekulant Gordon Gekko im Film "Wall Street" (1987)

750 Milliarden gegen die Spekulanten – das Euro-Hilfspaket bemüht einmal mehr ein altes Feindbild. Das ist absurd.

Wie jeder andere brauche auch ich Feindbilder und Klischees. Schließlich bringen sie ein wenig Ordnung ins komplizierte Leben. Aber irgendwann werden sie trotzdem langweilig. Und daher kam mir dieser Text von Hans F. Bellstedt auf Carta gestern recht gelegen.

Bellstedt geht der Frage nach, ob es tatsächlich so einfach ist, wie es sich Boulevard und Volkes Seele gerne machen. Ob es tatsächlich Kreaturen ohne Moral wie der prototypische Gordon Gekko samt dessen Leitsatz „Greed is good“ aus Oliver Stones Film „Wallstreet“ von 1987 waren, die zuerst Griechenland und dann ganz Europa an den Rand des Abgrunds getrieben haben – eine zwar allgemein akzeptierte Sicht der Dinge, aber leider weit von der Realität entfernt. Bellstedt dazu:

Diese kollektive Spekulantenphobie, genährt vom immer tieferen Misstrauen der Politik gegenüber dem Finanzsektor, unterschlägt den eigentlichen Grund für die Existenzkrise des Euro: Der Euro ringt deshalb ums Überleben, weil nahezu alle Staaten der Eurozone jegliche Haushaltsdisziplin über Bord geworfen und ihre Defizite in geradezu astronomische Höhen getrieben haben. Das gilt für die PI(I)GS, aber in genau demselben, erschreckenden Maße auch für Deutschland, Frankreich und Großbritannien. […]
In dieser massiven Überschreitung der erst vor wenigen Jahren beschlossenen Schuldengrenzen liegt der eigentliche Skandal: Die Regierenden in der EU spekulieren darauf, dass die von ihnen zu verantwortenden Haushaltsdefizite sich durch späteres Wirtschaftswachstum wie von selbst auflösen werden. Die Pfeile des Volkszorns lenken sie derweil auf die bösen Finanzakrobaten in der Londoner City, in Frankfurt oder New York.

Auch die Analyse der Vorgeschichte zur griechischen Staatspleite und zur Krise des Euro auf Spiegel Online lässt beim besten Willen nicht erkennen, dass es Spekulanten waren, die Europa dazu getrieben haben, ein Hilfspaket noch nie da gewesener Dimension zu schnüren. Fazit dort: Staatliche Notenbanken haben eine viel größere Macht Wechselkurse zu beeinflussen als Hedgefonds, die gemeinhin als Brutstätte der Gordon Gekkos gelten. Und der Handel im Fahrwasser der im Rahmen Lehman-Brothers-Pleite zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten Kreditversicherungen hat in den vergangenen Monaten zwar zugenommen, aber nicht in einer Dimension, die ausufernde Spekulation auf griechische Staatsanleihen erkennen ließe.

So gesehen klingt es absurd, wenn nun die Europäische Union verkündet, man habe mit dem sagenhaften Rettungspaket die Spekulanten im Zaum gehalten und den Euro gerettet. Der Skandal der leichtsinnigen Überschuldung bleibt nach wie vor bestehen. Und ein weiterer – systemimmanenter, der auch nicht „den Spekulanten“ anzulasten ist – ebenfalls.

Auch Europa hat sich einmal mehr einem System unterordnen müssen, das „too big to fail“ ist, zu mächtig, um zu scheitern, weil sonst alles kaputt geht. Das mag realpolitisch sicher Sinn ergeben, birgt aber auch ein fatales Signal. Egal was passiert, egal wie offen ein Euro-Mitglied den Währungshütern den gestreckten Mittelfinger zeigt – es wird ihm geholfen werden. Und ehe ich mich jetzt vorschnell in die ungustiöse Riege der „Eh klar, die Griechen!“-Krakeeler am Boulevard einreihe, gehört natürlich gesagt: Die Griechen sind damit nicht allein. Im Schnitt wird das Budgetdefizit aller Staaten im Euro-Raum im Jahr 2010 wohl auf 6,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen – der Maastricht-Grenzwert liegt bei drei Prozent. Das lässt sich nicht allein Griechenland anlasten, da haben alle eifrig mitgemacht.

So weit, so die Schuldzuweisungen. Sicher haben Verantwortliche in hohen Ämtern hier Fehler gemacht – doch sie haben ihre Entscheidungen dabei auch dem allgemein gültigen Zeitgeist der vergangenen Jahre angepasst. Und der lautete eben, Schulden zu machen, die sich dann mit Gewinnen aus der Zukunft begleichen lassen. Wenn diese Zukunft anders kommt, als man sie sich in schönen Farben ausgemalt hat, wird es brenzlig.

Wer dafür weiter Gordon Gekko und „die Spekulanten“ geißeln möchte, möge das gerne tun. Es hilft bloß nichts. Am Ende dieses Prozesses wird für alle Beteiligten eisernes Sparen stehen. Sparen, das richtig weh tut. Sparen, das vielleicht unseren Lifestyle auf Kosten anderer zu überdenken hilft. Nicht nur in Griechenland, sondern auch im Rest des Euro-Raums.