Zugegeben, dieses Album weckt den Fanboy in mir. Es gibt aber auch genug andere Gründe, es zu lieben.

Fangen wir mit der ersten persönlichen Geschichte an. Mavis Staples ist über den Umweg von Prince in meine Hör-Biografie getreten. Das war Ende der Achtzigerjahre. Damals war Prince beim großen Plattenlabel Warner als überbezahlter Wunderwuzzi angestellt und durfte sich alles erlauben. Unter anderem erlaubte er sich, zwei Alben von Mavis Staples zu produzieren. „Time Waits for No One“ hieß das erste, „The Voice“ das zweite.

In Wahrheit war das ein schlechter Einstieg, um mit dieser singenden Urgewalt in Kontakt zu kommen, denn damals wollte sie offensichtlich ein bisschen zeitgeistig klingen, und der musikalische Zeitgeist und Mavis Staples vertragen einander nicht. In Wahrheit gehören ihr der Gospel und der Blues.

Das ist seit den 50er-Jahren so, als sie anfing mit ihrem Vater Pops Staples aufzutreten. Das war später nicht anders, wenn die Familie als Staple Singers Hits wie diesen hatte oder bei inszenierten Hippie-Glückseligkeiten wie Martin Scorseses Konzertfilm „The Last Waltz“ mit The Band für eine Erdung sorgte, die heute noch gut kommt (hier zum entsprechenden Ausschnitt: The Band und die Staple Singers spielen „The Weight“)

In Spurenelementen war diese Wucht zwar auch in den Prince-Produktionen drin, doch rückblickend war in diesen Alben auch einfach zu viel Prince. Welch Fehler das war, erwies sich erst Jahre später, als Mavis Staples mit „Have A Little Faith“ zu ihren Roots – dem Mississippi-Delta aus Chicago-Perspektive – zurückkehrte und sich dann mit dem von Ry Cooder produzierten Konzeptalbum „We’ll Never Turn Back“ zu ihrer Vergangenheit im Civil Rights Movement endgültig als lebensweise alte Dame mit mächtiger Stimme neu positionierte.

Womit wir bei der zweiten persönlichen Geschichte wären: der mit Wilco, die hier schon einmal erzählt wurde. Der Kopf dieser Gruppe, Jeff Tweedy, steckt nämlich als Produzent hinter Mavis Staples’ demnächst erscheinenden Album. Es heißt „You Are Not Alone“ und hat alles, nur nicht die Fehler, die Prince vor 20 Jahren begangen hat. Es ist kein Wilco-Album mit einer 71jährigen Gastsängerin klingenden Namens, sondern es ist das große Werk einer tollen Frau, der die richtigen Songs verpasst wurden. Also Musik aus dem Delta, andeutungsweise ein bisschen Country und vor allem genug Raum für diese Stimme, die schon seit mehr als 50 Jahren den Blues singt. So viel also zum Thema Zeitgeist – den braucht in der Musik manchmal wirklich keine Sau. Zumindest heute. Zumindest hier.

Den Link zu einem vollständigen Stream von Mavis Staples’ „You Are Not Alone“ und noch mehr zum Thema gibt’s übrigens auf unserer Tochterplattform neu und gut – Popkultur für Lesefaule.