Was, ein Türke wagt Kritik an der österreichischen Zuwanderungspolitik? Das darf nicht sein. Nicht in diesem Land.

Sagen darf man alles, hat es doch bei Thilo Sarrazin geheißen. Also darf man auch was gegen türkische Zuwanderer sagen und dabei mit biologistischen Thesen eindeutig zu weit gehen. Und daher darf man wohl auch etwas gegen die österreichischen Einwanderungspolitik sagen, die Kadri Ecved Tezcan, der türkische Botschafter in Wien in einem sehr empfehlenswerten Interview in der heutigen Presse mit harten Worten, aber fairen Inhalts kritisiert.

Weit gefehlt. Ein Interview mit einem Diplomaten, den berechtigtermaßen kurz die Contenance verlässt, wird in Österreich tatsächlich zu einer diplomatischen Krise hochstilisiert.

Werner Faymann ist „empört“ und will sich – hört, hört – „laufend von Außenminister Spindelegger sowohl über die Gespräche im Außenministerium mit dem türkischen Botschafter als auch auf Ebene der Außenminister informieren lassen und die weitere Vorgehensweise festlegen.

Der ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger verurteilt die Aussagen des türkischen Botschafters als „unangebracht und respektlos. Botschafter Tezcan ist sich seiner Rolle als Gast in unserem Land offenbar nicht bewusst.“

Und der FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, einmal mehr um schiefe Metaphern ringend, fordert: „Entweder es kommt zu einer umgehenden Entschuldigung der Türkei gegenüber Österreich und der jetzige Botschafter wird mit Schimpf und Schande abgezogen oder es sollen die diplomatischen Beziehungen zur Türkei bis auf weiteres ausgesetzt werden.“

Dabei wäre es doch so einfach gewesen, Statements wie die des Botschafters als Aufforderung zum Nachdenken zu lesen. Als Diskussionsgrundlage. Als Anstoß für eine frische Integrationspolitik, die das Land so oder so braucht.

Aber es scheint, dass das Land nicht nur moralisch so verrottet ist, dass es Kinder abschieben lassen will, sondern, dass es auch von einer selbstgefälligen und denkfaulen Clique regiert wird, die sich Vorwürfen schon allein deshalb nicht stellt, weil es unbequem wäre, sie zu entkräften.

Das ist also Österreich im Jahr 2010: Ein Land wie eine kleines Kind, das die Schuld immer bei den anderen sucht – selbst dann, wenn es eigentlich nie um Schuldfragen von gestern, sondern um Entscheidungen für morgen geht. Nach der Lektüre der Reaktionen auf das Botschafter-Interview steht vorerst jedenfalls fest: Es wird womöglich tatsächlich nichts mehr mit der Integration in diesem Land. Das österreichische Personal der Debatte ist ihr einfach nicht gewachsen.