Kairo, 25. Jänner 2011. Foto: Al Jazeera English, Lizenz: CC BY-ND 2.0

Beim Volksaufstand in Ägpyten zeigt die arabische Jugend, dass sie entgegen ihres dumpfen Images längst im 21. Jahrhundert lebt.

Die Jugend kennt man ja. Nichts als Blödsinn im Kopf. Denkt nicht an morgen, sondern nur ans Heute. Wird es schon noch lernen, die Jugend.

Die Jugend kennt man auch als oft untersuchtes Phänomen der Sozialwissenschaften, als Lebensabschnitt zwischen Kindheit und Adoleszenz, in Wohlstandsgesellschaften wie der unseren nach Möglichkeit weitest möglich nach hinten verlängert.

In beiden Fällen wird die Jugend als von westlichen kulturellen Codices geprägter Lebensabschnitt definiert, der sich noch mit soziodemografischen Erkenntnissen genauer erläutern lässt. So ergibt sich ein sich stetig wandelndes Bild der Jugend, gefestigt von vielen Daten, immer wieder zu hinterfragen, weil sich Moden und Szenen gerne wandeln ehe sie überhaupt beobachtet werden.

In den vergangenen Tagen hat sich das Bild gefestigt, beim Aufstand in Ägypten handle es sich schon wie den vorhergegangenen in Tunesien um einen Aufstand der Jugend. Eine These, die sich leicht mit Zahlen belegen lässt. Schätzungen gehen davon aus, dass im arabischen Raum drei Viertel der Bevölkerung jünger als 35 sind. In Ägypten etwa ist ein Drittel der Menschen jünger als 15, und nur vier Prozent sind älter als 64.

Diese demografischen Tatsachen waren in den vergangenen Jahren auch ein guter Nährboden für Thesen wie die des deutschen Soziologen Gunnar Heinsohn (etwa im Buch „Söhne und Weltmacht“), der davon ausgeht, dass Gesellschaften mit zu vielen jungen Männern fatale Auswirkungen haben können (Der Grenzwert, bei dem dieses gefährliche Übergewicht erreicht ist, liegt nach Heinsohn bei einem Bevölkerungsanteil von mehr als 30 Prozent Kindern oder Jugendlichen bis 14 Jahre). Frei nach der Formel: Zu viele junge Männer plus zu wenig Chancen auf Arbeit ist gleich Terrorismus.

Terrorismus ist zwar noch noch heute kein Massenphänomen, aber es hatte sich im Westen über die Jahre trotzdem ein archetypisches Bild der Angry Young Men aus arabischen Ländern gefestigt: Wir haben schließlich im Fernsehen oft genug junge Menschen auf Protestmärschen Papst-Puppen oder die Fahnen westlicher Staaten verbrennen sehen. Und wir haben uns zu leicht dem Vorurteil ergeben, dass sie mangels Alternativen eben Geiselnehmer oder Kofferbomber werden.

Es war ein ziemlich dummes Klischee, das dieser Tage auf den Straßen ägyptischer Städte eindrucksvoll widerlegt wird. Dort will eine überwiegend jugendliche Bevölkerung Hosni Mubarak aus dem Amt jagen. Sie schert sich in ihrem Protest nicht um Religionen und daher auch nicht um Islamisten.

Wenn es sich dabei tatsächlich um einen Jugendprotest handelt – und viele Bilder davon legen dies nahe – dann unterscheiden sich seine Ursachen wenig von denen in anderen Ecken der Welt. Es geht hier um die Erfahrung mit Armut und Reichtum, um Aufstieg und die Angst vor dem weiteren Abstieg, um die Schattenseiten der Globalisierung. In Ägypten wird wie zuvor in Tunesien auf den Straßen die soziale Ungleichheit angeprangert.

Die Jugend dort eint dann vor allem ein Ziel: Sie will ein besseres, freieres und gerechteres Leben. Die Jugend dort steht für einen weltoffenen Islam, der Terror verachtet. Die Jugend dort steht für’s 21. Jahrhundert – und für Menschen wie Maajid Nawaz, dessen Text auf zurPolitik ich hier abschließend noch wärmstens empfehle.

Foto: Al Jazeera English, Lizenz: CC BY-ND 2.0