Seit vergangenem Samstag haben wir also „Zehn freiheitliche Gebote für Österreich“. Sie sind griffig formuliert. Und vor allem: Sie sind wenig überraschend, denn sie zeigen eine Partei, die inhaltlich mit sich so im Reinen ist, dass sie zehn Gebote formulieren kann, die jeder kapiert.

Und ja, es ist doof, dass sich niemand außer der FPÖ traut seine Grundsätze massentauglich aufzubereiten. Doch gleichzeitig ist auch das keine Überraschung: Mit ihren zehn Geboten beweisen die Freiheitlichen, dass sich tatsächlich Themenführer sind in Österreich, deren Parolen schon seit Jahren von anderen hintennach regiert wird  – und die modernste Form angewandten Populismus’, den dieses Land bisher hervor gebracht hat.

Die Freiheitlichen sind Themenführer in Österreich

Letztere Erkenntnis ist auch übers vergangene Woche gereift, vor allem im Zusammenhang mit einem Text in der ZEIT von Matthias Geis und Bernd Ulrich. „Wer hat Angst vorm grünen Mann?“ heißt das Stück und kommt zum Schluss, dass die Grünen Deutschland regieren, obwohl sie gar nicht an der Macht sind.

Ausgehend vom marxistischen Philosophen Antonio Gramsci, der auch die kommunistische Partei in Italien mitbegründete, wird im Text dessen Idee der Hegemonie eingeführt, um die gesellschaftspolitische Relevanz der Grünen in Deutschland zu erklären.

Nach Gramsci ist es ein Irrtum, dass nur der die Gesellschaft verändern kann, der auch die Staatsmacht hat. Hegemonie ist hier, wenn herrschende Gruppen ihre eigenen Interessen als die Interessen aller erscheinen lassen. Man könne also durchaus herrschen ohne zu regieren. So wie eben die Grünen im eigentlich schwarzgelb regierten Deutschland. Ob Atomausstieg oder Pazifismus – die großen Themen werden von der Koalition dort mit grünem Focus abgearbeitet. Grün, so die These des Artikels, dominiert unabhängig von der Regierung das Lebensgefühl des Landes.

Und was ist mit den Grünen?

Um nun von den deutschen Grünen wieder nach Österreich zurück zu kehren, muss zuerst ein kleiner Einschub her: Ich denke, es wurde nun genug über sie gelästert. Das Verbot von Zigarettenautomaten ist ausreichend zum sinnlosen Nebenschauplatz erklärt, die „Neue Wiener Langeweile“ ebenfalls – lassen wir’s einmal gut sein, oder? Langeweile ist immer noch was anders als Dummheit, und weil ich ein paar Grüne kenne – alles nette Leute – darf ich sagen: Die sind nicht so blöd, nur übers Radfahren und Zigarettenautomaten nachzudenken. Im Gegenteil: Die denken über die großen Probleme der Zeit nach, und wie sie sich lösen ließen.

Der einzige Nachteil: Vieles davon bleibt unbemerkt. Doch auch das ist nicht Dummheit, sondern falsche Bescheidenheit und eine Art vorauseilende Angst, dass Öffentlichkeit gleichzeitig Boulevard und Populismus bedeuten könnte. Einschub Ende.

Pikant am Vergleich Deutschland-Österreich ist, dass Straches FP im Parteiprogramm Österreich just zu einem Zeitpunkt wieder als „Teil der deutschen Kulturgemeinschaft“, an dem die gesellschaftspolitischen Unterschiede nicht größer sein könnten. Dort eine grüne Schattenregierung, hier eine blaue. Dort das Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit, hier die Feststellung im Parteiprogramm, dass Österreich selbstverständlich kein Einwanderungsland ist.

Die große Ratlosigkeit der Politik

Doch auf der Metaebene gleichen einander die Entwicklungen der Grünen in Deutschland und der Rechten in Österreich. Die Bevölkerung spürt die Ratlosigkeit bei politischen Entscheidungsträgern. Und zumindest in den Umfragen schenkt sie ihre Gunst jenen, die über Jahre hinweg konsistente Botschaften geschickt haben. Egal, ob es dabei ums Klima oder niedere Instinkte („Unser Geld für unsere Leut’“) geht.

Aus österreichischer Sicht ist daran nur eines fatal: Wenn die FPÖ auch ohne zu regieren, das Land beherrschen kann, lässt sie sich nicht einmal mit Wahlniederlagen in die Schranken weisen. Man muss ihr also mit inhaltlich relevantem Populismus begegnen. Wer ihn allein den konservativen und rechten Obskuranten überlässt, zementiert nur den Status Quo.