Astro Turf Ghetto Blasters. Brian Eno Speaker Flowers Sound Installation at Marlborough House, Brighton.

Regelmäßige Leser unserer Seiten werden es wohl schon bemerkt haben: Freitag ist hier auf ZiB21.com Pop-Tag. Nicht in dem Umfang, den wir gerne hätten (aber das ist hier ohnehin nichts), aber bis auf ein paar Aussetzer doch so regelmäßig mit bewegender Musik zur Zeit bespielt, dass es sich durchaus lohnt, kurz im Archiv zu kramen.

Normalerweise tut man so etwas ja zum Jahreswechsel, um herauszufinden, was die vergangenen zwölf Monate bedeuten könnten. Was geht, was bleibt, aus – Rückblicke müssen radikal und subjektiv sein, sonst interessieren sie noch weniger als sie interessant sind.

Und jetzt zur Standortbestimmung

Doch das hier wird kein Rückblick, sondern eine Standortbestimmung. Und die entsteht – Ironie der Geschichte – just während auf ORF eins die neue Folge von Rudi Dolezals „Weltberühmt in Österreich – 50 Jahre Austropop“-Schmonzette läuft. „Die Wachablöse?“, fragt der Titel der, nun ja, eilig produziert wirkenden Folge programmatisch und verweist damit auf eine Generation österreichischer Popbands, die mit alten Haudegen auf Weißem Spritzer nichts mehr am Hut hat. Auf Kreisky, auf Ja, Panik, auf Texta, auf Naked Lunch, auf noch viel mehr.

Die vier Genannten spielten wir hier in den vergangenen sechs Monaten auch. Nicht aus Lokalpatriotismus, sondern weil sie ganz natürlich mit James Blake oder TV On The Radio oder sonst jemandem koexistieren konnten.

Pop aus Österreich schafft, was dem Land misslingt

Obendrein haben sie den Startvorteil, dass sie zwar mit global verständlichem Pop-Vokabular arbeiten, aber sich trotzdem inhaltlich im näheren Umfeld – wie versprochen: Standortbestimmung –  verorten lassen. Pop aus Österreich schafft damit endlich das, was einem ganzen Land permanent misslingt: Weltläufig zu sein, ohne seine Herkunft zu verleugnen. Seine Herkunft zu reflektieren, ohne gleich in provinziellen Chauvinismus zu verfallen. Trotz Kleinlichkeiten und Widrigkeiten im Rücken einfach nur gut sein.

Das ist die persönlich wichtigste Erkenntnis, die sich aus dem abgelaufenen Halbjahr ziehen lässt. Lady Gaga lasse ich daher außen vor. Und fordere ansonsten auf, abseits von den genannten Künstlern auch das aktuelle Werk von Kanye West (ganz gestört), My Morning Jacket (ganz bärtig), Ernst Molden (ganz Wien), Attwenger (ganz überösterreichisch), PJ Harvey (ganz schön), The Base (ganz dämmrig), Adele (ganz solide) oder den Beastie Boys (ganz was Persönliches) zu studieren. Das dauert gewiss länger als dieser Sommer noch Sonnentage bereit hält – und dieser Text ist hiermit endgültig bei jenem Moment angelangt, an dem die Popkritik auf Ferienmodus gestellt wird.

Bewegende Musiken gibt’s hier in den nächsten Wochen also nur mehr sporadisch, wobei Ausnahmen selbstverständlich vorkommen können. Wem das nicht reicht, der möge uns hin und wieder auf unserem Beiboot neu und gut besuchen. Dort spielt die Musik natürlich weiter. Wird einem ja fad sonst.

Foto: Dominic Alves, Lizenz: CC BY 2.0