Google und die Zeitungsenten (Symbolbild).

Diese Woche konnte man wieder einmal die Genese einer im deutschsprachigen Raum gerne gepflegten journalistischen Textsorte beobachten. Es handelte sich dabei um einen so genannten Huch-die-böse-Datenkrake-Google-Text. Dessen Eckpfeiler lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: In einem amerikanischen Journal wird über Interna und Entwicklungen des Suchmaschinenkonzerns Google berichet (in diesem Falle war’s AdAge). Ein für ein deutschsprachiges Medium tätiger Journalist entdeckt darin Schlagworte, die in das Raster Datenkrake, Datenmissbrauch und Hysterie passen (in diesem Fall im Zusammenhang mit der Entwicklung ausgeklügelter Datenaggregation, um – auch von Medienorganistionen auf ihren Websites gerne genutztes – anonymisiertes Targeting zu verbessern). Und daraus entsteht dann ein tendenziöser Artikel, der verkündet, Google plane im großen Stil den Verkauf persönlicher Daten (in diesem Fall etwa in der Süddeutschen zu lesen).

Hauptsache, tendenziös und kritisch

Google tut das aber gar nicht, wie Thomas Knüwer hier erklärt. Schließlich wäre das eine tatsächliche Zumutung für jeden Kunden und ein Knieschuss für einen Konzern, der im Quartal 9 Milliarden Dollar brutto umsetzt – aber hey, ist die Steilthese mal draußen, lässt sich nichts mehr machen. Und ist Datenschutz nicht ein solch wichtiges Thema unserer Zeit, dass man nicht auch einmal mit einem weiteren Huch-die-böse-Datenkrake-Google-Text übers Ziel hinausschießen kann? Im Sinne einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit vielleicht?

Hm. Sagen wir mal so: Google ist das geringste Übel.

Eine pervertierte Medienindustrie, in der Rücktritte wie der von Rebekka Brooks eine ganze Woche dauern – das ist ein Übel. Gekennzeichnet von systematischer Korruption und Niedertracht, um die Geschäfte anzukurbeln. Inklusive Missachtung von Daten- und Opferschutz. Und mit einer Handvoll strafrelevanter Tatbestände mehr.

Nun haben Google und die Vorgänge um Rupert Murdochs News Corporation auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun. Google ist trotz vieler Huch-die-böse-Datenkrake-Google-Texten über alle oben genannten Vorwürfe erhaben. Aber, und das ist eine besonders schöne Ironie der Geschichte: Die Vorwürfe könnten nun gerade jenem zum Verhängnis werden, der dem Suchmaschinenkonzern früher am liebsten die Pest an den Hals gewünscht hätte: Murdoch.

Ist eine Verlotterung der Sitten bei Google denkbar?

Als prototypischer Stellvertreter einer überalterten Medienindustrie hat er sich neuen Realitäten der Mediennutzung konsequent verweigert. Doch seinen Titeln erwuchsen sie trotzdem zur Konkurrenz – so sehr, dass er verbrecherische Recherchemethoden billigte, um die Leser doch noch irgendwie zu halten.

Wäre so eine Verlotterung der Sitten bei einem Konzern wie Google denkbar, fragte Jeff Jarvis kürzlich auf Google+? Es war natürlich eine rhetorische Frage, denn dazu müssten vorher die in zahlreichen Huch-die-böse-Datenkrake-Google-Texten dokumentierten Missetaten bewiesen werden. Und das wird sich nicht einmal mit den Methoden von Murdochs Mitarbeitern ausgehen.

Dieser Artikel erscheint auch auf The European.

Foto: Yodel Anecdotal, Lizenz: CC BY 2.0