Baby, jetzt wird’s ernst. Tom Waits, fotografiert von Jesse Dylan

Die Alten haben also doch recht. Die Welt wird immer schlechter. Früher waren die Künstler kreativer. Es kommt nichts Neues mehr. Und das, was kommt, ist ein Witz.

Zum Beispiel Metallica, die sich mit Lou Reed an Wedekind vergreifen. Soll wohl die kluge Version der Härte sein, ist aber vor allem Folter, wie jemand in der Prokrastinationsmaschine Facebook ganz richtig anmerkte.

Oder Coldplay, die sich auf ihrem neuen Album unter anderem an Rihanna vergreifen. Das soll dann wohl der neue Sex sein, ist aber vor allem ein Lied, in dem Rihanna mitsingt. Davon gibt es viele, meist stammen sie von Männern mit Stierhoden und Vorstrafen, an keines davon wird man sich in kommenden Generationen erinnern müssen. Und Coldplay setzen mit ihrem neuen Werk „Xylo Myloto“ auch alles daran, es diesem Schicksal gleich zu tun. Der Titel des Albums entstand angeblich nicht im Drogenrausch, es scheint also tatsächlich schlecht um die Band zu stehen.

Grober Unfug aller Art

Bei so viel Ärger in der Gegenwart braucht es also eine Konstante im Leben. Was Neues Altes, das Tradition und Ärger vereint. Womit wir beim Thema dieses Textes wären. Er handelt von Tom Waits, 61 Jahre ist er mittlerweile alt, trägt noch immer gepflegten Grant im Gesicht und ist bereit für groben Unfug aller Art. „Bad As Me“ heißt seine neue Platte – ein Titel wie ein guter Witz und eine Lüge wie alles, was Waits seit Jahren darstellt.

Der böse Bube, der Trunkenbold, der Modernisierungsverlierer. Alle seine Kunstfiguren sind da, wobei sich letzterer bei Waits natürlich auch mit dem Mäntelchen des Modernisierungsverweigerers schmückt. So leitete er die Kampagne für „Bad As Me“ mit einem Video ein, das den Titel „Private Listening Party“ trug. Darin verkündete er, welch Zumutung es sei, ein Album vor Erscheinungsdatum anzuhören oder gar aus dubiosen Quellen herunter zu laden. Das sei doch, wie wenn die Freundin schwanger wird, und man muss das von einem Dritten erfahren. Natürlich gab es „Bad As Me“ trotzdem vorab im Netz. Das Anhören kostete nur einen Namen und eine valide Email-Adresse. Und jetzt kann er einen sogar vermarkten, der alte Outlaw Waits.

Durchdrehen auf hohem Niveau

Bleibt noch die Frage, was man dafür kriegt: Es ist Durchdrehen auf hohem Niveau mit verstimmter Westerngitarre und Blasmusik. Es ist Sehnsucht nach Tequila unten in Mexiko. Es ist ein wenig Rückbesinnung auf den versoffenen Barjazz-Sänger, den er in den Siebzigern so gerne darstellte. Es ist Tom Waits, der sich mit großer Freude selbst plündert und persifliert, und am Schluss weiß man vor lauter Selbstreferentialität nur mehr eines: Das war verdammt gut.

Und um das noch zu krönen, sei auch der Song „Last Leaf“ erwähnt. Es handelt sich dabei um ein Duett mit Keith Richards, in dem die beiden Herren beweinen, dass sie „the last leaf on the tree“ sind. Zwei überwutzelte Witzfiguren, zwei Comic-Helden der Rockmusik singen sich singen darin selbst ins Grab, könnte man meinen. Aber dann liest man in einem angesehen Blatt wie der New York Times, wo Künstler noch ausführlich zur Bedeutung ihres Werks verhört werden, worum es den Herren darin wirklich geht. Es geht ihnen um das letzte Blatt am Baum – und wie toll es wäre, wenn es bis zum nächsten Frühling durchhalten könnte.

„Du kannst alles als Metapher für etwas sehen, aber manchmal ist etwas einfach nur das, was es ist.“

Sagt einer, der sein Album „Bad As Me“ nennt.

Haha.

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