Gut, dass ich wieder einmal bei FM4 rein gestolpert bin. Sonst hätte ich fast die klugen Texte zum Thema Retromania verpasst, die dort von Christian Lehner und Robert Rotifer zu lesen sind. Anlass dafür ist ein neues Buch des britischen Musikjournalisten Simon Reynolds mit dem Titel „Retromania“, das die angebliche Vergangenheitsfixierung heutiger Popmusik durchleuchtet.

Retrodiskurs also, just in einem Moment, in dem „El Camino“ rein kommt, das siebte Album der Black Keys. Im Kern aus den zwei Herren Pat Carney und Dan Auerbach bestehend, war die Band in ihren Anfängen vor allem eines: rumpelnder Bluesrock, vielleicht sogar noch einen Tick mehr der guten alten Zeit verpflichtet als Jack White, aber darüber kann man streiten. Auf jeden Fall Retro bis in die DNA.

Doch das Schöne an ausgewiesenen Retroklängen ist gerade, dass sie keine Revolutionen anstrengen, sondern von Menschen zeugen, die Vokabular und Grammatik beherrschen. Von Stilisten. Und wenn sie richtig gut sind, formen sie daraus daraus tolle Songs in großer Tradition. So wie – wir nähern uns dem eigentlichen Thema – die Black Keys. „El Camino“ klingt wie der vorläufige Endpunkt ihrer Entwicklung vom schroffen Garagenblues zu massentauglichen Rockmusik. Und dieser Endpunkt ist auch der bisherige Höhepunkt.

Kunst ist ihre geringste Sorge

Massentauglich sind Carney und Auerbach ja schon länger. „Brothers“, ihr letztes Werk, verkaufte sich knapp im Millionenbereich, sie waren bei den Grammys, und seither haben sie nicht nur bei besonders wertkonservativen Hörern mehr als einen Stein im Brett, sondern gelten auch als Stars, an denen man noch ein bisschen was verdienen kann. Soll heißen: Die künstlerischen Erwartungen, die an „El Camino“ heran getragen werden, könnten durchaus die geringste Sorge der Black Keys sein. Sie sollten auch Geld umsetzen.

Mit diesem Album sollte das aber gelingen. Der Titel des neuen Werks mag Autokenner vielleicht an eine längst nicht mehr produzierte Serie von Chevrolet-Pickups erinnern, aber das ist zu kompliziert gedacht. Denn wahre Kenner werden auch merken, dass es sich beim Van auf dem Cover um keinen El Camino handelt. Es ist, so heißt es, jener Kleinbus, in dem die Band die ersten zwei Jahre ihrer Existenz zwischen Ost- und Westküste verbracht hat. „El Camino“ ist hier also einfach nur Spanisch und bedeutet „Die Art und Weise“.

Abgefucktes Rumpeln

Ein schöner Titel, nicht wahr? Und obendrein passt er auch zu diesem nahezu perfekten Rockalbum, weil sich hier alles um die Art und Weise dreht, den Songs Wärme, Aura und die nötige Dosis abgefuckten Rumpelns zu erhalten.

Als Basis sind hier wie gewohnt rattenscharfer Rock’n’Roll und schwerer Blues zu hören. Aber eben auch sehr viel Rhythm. Und, natürlich, Pop. Denn Brian „Danger Mouse“ Burton, der die Platte wieder als Produzent begleitet hat, ist ja auch in vielen anderen Arbeiten schon längst vom Mashup-Chaoten zum Pop-Puristen konvertiert.

Er hat als drittes, unsichtbares Mitglied im Kern der Band die Türen in Richtung Gassenhauer geöffnet. „Lonely Boy“, das wir hier schon als Video hatten, „Sister“, „Little Black Submarines“ – das fährt alles wie Sau. Und das ist alles eine solche Freude, dass die Diskussion um die Retromania darüber auch gleich wieder verblasst. Ist manchmal ja wurscht, was Musikschreiber so theoretisieren. Muss ja nicht alles neu sein. Was zählt, sind glückselig machende Rocker wie jene von den Black Keys.

Wie schon gesagt: Es kommt zwar reichlich spät, dieses Album des Jahres. Aber jetzt ist es ja da. Endlich.

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