evolver

Davon geredet hatten die werten Kollegen ja schon länger, aber es war ein freundliches Mail, das mich darauf hinwies: Der Evolver, die – weil ich es nicht besser weiß, behaupte ich das nun einfach – am längsten dienende Netzzeitschrift des Landes wurde einer Runderneuerung unterzogen. Das war, wie immer bei optischen Runderneuerungen, dringend notwendig. Und das ist, wie ebenfalls immer bei optischen Runderneuerungen, erst jetzt zu erkennen, wo die Seite wieder so richtig strahlt.

Sie sieht gut aus, schön aufgeräumt, lässige Farben, nette Idee ist auch das mit der Titelseite für die Zeitungsanmutung. Mehr lässt sich dazu gar nicht sagen, denn wir sind hier keine Design-Jury, sondern wollen ein Medium loben, das es einfach zu loben gilt.
Denn der Evolver ist Pionier. Zum ersten Mal stieß ich auf ihn, weil jemand darüber sprach. Es war Ende 1996 oder Anfang 1997, ich zog in eine Wohngemeinschaft, in der eine Filmemacherin aus Südtirol wohnte, die jetzt in Berlin lebt. Mehr weiß ich nicht mehr von ihr, Kontakt abgebrochen, wie es eben so passiert, egal. Jene Filmemacherin jedenfalls erzählte mir einmal am Abend beim Rauchen in der Küche, sie könne jetzt nicht mehr hier weiter rauchen, weil sie noch einen Text für eine Netzzeitschrift namens Evolver schreiben wollte.
Das fand ich interessant, denn erstens wollte ich damals fürs profil schreiben und zweitens hatte ich erst seit zwei Jahren Kontakt mit einem Medium namens Internet. Dass da nun jemand ganz selbstverständlich für ein Medium schrieb, das ganz frisch und nicht auf Papier war, während ich für eins nicht schrieb, das recht alt und gedruckt war – das merkte ich mir aus irgendeinem Grund bis heute. Nicht, dass es große Bedeutung besäße, aber so stieß ich zum ersten Mal auf den Evolver.
Ich sah mir damals sicher die Website an, kann mich aber an keine Eindrücke mehr erinnern. Außerdem lese ich den Evolver sowieso erst seit 2000 herum regelmäßig, jedes Urteil darüber stammt also aus dieser Zeit. Damals riet mir ein Kollege, ich solle dort öfter mal vorbei schauen. Weil: gute Ideen, schneller im Erkennen von relevanten Dingen als andere, gut zum Stehlen. Der Kollege hatte Recht, aber ich habe bis heute trotzdem nicht geklaut, sondern nur den einen oder anderen Gedanken dankbar weiter verfolgt. Evolver. So heißt er ja.
Hiermit also verspätet besten Dank für das, was ich an ihm schätze: seine Ideen. Die sind nicht groß, weltumspannend, wichtig. Sie sind klein, persönlich – und damit relevant. Der Evolver ist von Autoren getrieben und nicht von ökonomischen Interessen. Das ist sein größter Reiz. Und dass damit das Evolver-Team schon vor vielen Jahren den Blog-Gedanken vorweg genommen hatte, sei hier nur nebenbei erwähnt.
Gerade weil der Evolver autorengetrieben ist, ist er auch meinungsgetrieben. Bedingungungslos und ohne Maulkorb, hoffnungslos in die Deutung von Pop verstrickt. Das macht die Evolver-Lektüre natürlich oft ärgerlich. Weil man – professionell besehen – manchen Text für zu nah am Nabel geschrieben hält. Und weil man – persönlich besehen – oft auf Gedanken stößt, die man selbst nie und nimmer so formuliert hätte. Manches ist mir zu lang und zu aufgeblasen. Manches ist mir zu kurz und zu hingeschissen. Aber ich kann ja weg klicken. Und das tue ich sicher genau so oft wie ich wieder hin klicke.
So viel also zum Evolver. Und ich gebe es gleich zu: Ja, ich kenne manche Damen und Herren dort, auch die mit den wichtigen Titeln. Und ja, ich verstehe es als solidarischen Dienst, deren Arbeit hier zu loben. Und nein, ich muss dabei nicht lügen.