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Beginnen wir mit einer Klarstellung für die Spitzfindigen. Der Titel dieses Eintrags ist falsch, denn dieser Text handelt vom Dilemma des Schreibens über Musik. Musik lässt sich nämlich nicht in Worte fassen, weil Worte ebensowenig wie Bilder oder Videos dafür kein adäquates Medium sind. All diese Medien können gerade mal Zusatzinformation bieten, etwas einordnen, untermauern, bejubeln, vernichten und mit Werten und Bedeutungen belegen, die über den reinen Klang hinaus gehen. Soll heißen: Musik ist nicht adäquat zu beschreiben – und vielleicht gerade deswegen unbeschreiblich schön.
Trotzdem wird viel über Musik geschrieben, auf dieser Seite ebenso wie auf unzähligen anderen, in Zeitschriften und in Büchern. Und gerade letztere sind es, die das Dilemma am besten aufzeigen. Viele Standardwerke gibt es da, die sich dem Kanon-Gedanken verpflichten – also alles mit allem erklären und verknüpfen. Heute, im Zeitalter des Netzes hat so etwas keinerlei Relevanz mehr, weil Dienste wie Allmusic jedes Lexikon locker übertrumpfen. Und viele Bücher von Autoren tummeln sich darunter, denen das Objekt ihrer Begierde eine Herzensangelegenheit war.

Zum Beispiel war in der vergangenen Amazon-Lieferung ein Buch mit dem Titel „Prince. A Thief in the Temple“ von Brian Morton. Es ist der Versuch einer kritischen Prince-Biografie, die schon im ersten Satz des Vorworts verrät, woran sie scheitern wird: an ihrer Authentizität. „In a story so much concerned with rumour, counter-rumour, carefuly confected legend, fallings-out, gagging clauses and plain nonsense, who to believe?“, schreibt Morton. Ja, wem glauben, wenn das Objekt der Begierde seit Jahrzehnten beharrlich schweigt und sich nur zwischendurch zu sinnfreien Statements aufrafft? Morton wählte den einfachsten Weg: Er glaubte seinen eigenen Theorien, fragte sie zur Sicherheit an ein paar ehemaligen Mitmusikern von Prince ab (die sich glücklicherweise nicht zitieren ließen) und trat sie dann breit. Nicht, dass mir Mortons Theorien missfielen – ist ja auch einladend, Prince in eine Reihe mit Miles Davis zu stellen – doch sie lassen sich eben nicht mit authentischer Information untermauern. Also bleibt der Autor bis zum Schluss bloß Fan, der wirklich jeden Song auf jedem Album liebt, was die erhellenden Momente nicht gerade häuft: Das kann man schließlich auch in jedem Online-Forum (zum Beispiel hier) bis zum Erbrechen lesen.
In meiner Bibliothek stehen einige Bücher über Popmusik, die meisten davon sind bis zur letzten Seite gelesen, ein paar wenige nur in Auszügen – aber nur fünf davon bieten sich an, sie wirklich weiter zu empfehlen. Das hat einen simplen Grund: Sie leiden nicht am Dilemma von Mortons Prince-Biografie. Sie sind nicht der Fan-Perspektive verpflichtet, sondern sie stammen aus erster Hand – und sie wurden von offensichtlich fähigen Autoren in unzähligen Interviewstunden aufgezeichnet und redigiert. Vor allem entlarven sie ihre Protagonisten, erklären ihren Antrieb, stellen sie in ein Licht, das dann die Musik besser verstehen hilft als jede pseudowissenschaftliche Rezension, weil der Autor der Bücher nur den Job eines Redakteurs hat – also keinen interessiert. Also:

 

1. Frank Zappa (mit Peter Ochiogrosso): I Am The American Dream (Goldmann)
Eine kurze Recherche bei Amazon ergab: vergriffen. Das ist eine Schande, denn lustiger lässt sich nicht über Edgar Varese, das Wesen des Rockgitarristen, Scheiße auf der Bühne, große klassische Orchester und eigentlich auch alles andere auf der Welt lesen.

2. Mötley Crue (mit Neil Strauss): The Dirt (Hannibal)
Was passiert, wenn vier hirnverbrannte Idioten mit Haarspray-Mähnen in hautengen Hosen mit einer lächerlichen Metal-Band berühmt werden: Sie nehmen Drogen, Drogen, Drogen und bauen Scheiße, Scheiße, Scheiße. Und davon mehr als einem selbst je einfallen könnte – groß!

3. Miles Davis (mit Quincy Troupe): Die Autobiografie (Campe Paperback)
Der Klassiker des Genres. Auch hier: Drogen. Und im Gegensatz zu oben entlarvende Ansichten eines Genies, das aus dem Wahnsinn seines Minderwertigkeitskomplexes und seiner Biografie himmlische Musik schaffen hat können.

4. Jürgen Teipel: Verschwende Deine Jugend (Suhrkamp Taschenbuch)
Als New Wave nach Deutschland kam, war nichts mehr wie vorher. Was liegt also näher, als einfach alle Helden von damals (also von 1976 bis 1983 und von DAF bis Fehlfarben und Tote Hosen) zu interviewen und aus diesen Zitaten einen Roman zu montieren? Eben.

5. Hans Nieswandt: Plus Minus Acht (KiWi)
Das Gscheiterl-Buch zur DJ- Kultur der 90er-Jahre stammt ja von einem Herren, der sich jetzt Posh nennt (Ulf Poschardt: DJ Culture), das richtige Buch zum Phänomen einiger Jahre kommt aus der Feder eines DJs, der damals mit dabei war – und auch noch schreiben kann. Es handelt von Ketten-Hotels, von Plattenkisten, von langweiligen Reisen und vom großen Triumph, im richtigen Moment die richtige Platte aufzulegen. Wer die Mythen um eine derart banale Tätigkeit bis heute nicht versteht, dem kann entweder dieses Buch helfen, oder gar niemand. Und das beste daran: Man muss sich dafür all die langweilige House-Musik nicht einmal anhören …