Zurückgekehrt bin ich ja schon vor zwei Tagen, doch manche Erkenntnisse brauchen, bis sie sich setzen. Am vergangenen Dienstag spielte Prince eine seiner 21 Shows in London in der ausverkauften o2-Arena. Ich war dort, um einerseits wieder einmal eine Bestätigung dafür einzuholen, dass ein Dasein als Fan, das aus heutiger Sicht schon mehr als die Hälfte meines Lebens für den Kauf überteuerter Devotionalien verantwortlich ist, noch immer seine Berechtigung hat. Und andererseits, um auch die Frau an meiner Seite endlich direkt und unvermittelt (und nicht in Form von Bootlegs oder Videos) hören zu lassen, woher dieses Fantum kommt. Nämlich davon, dass Prince, der Zwerg aus Minneapolis, einer der größten lebenden Pop-Entertainer ist. Immer schon – und immer noch.
Prince, biologische 49 und optische 29, wird nach Ende seiner Konzertserie vor einer knappen halben Million Menschen gespielt haben. Diese halbe Million Menschen kann die Texte seiner Lieder auswendig. Diese halbe Million ist in Teilen dazu bereit, extra per Flugzeug anzureisen. Diese halbe Million besteht zu einem überraschend wahrnehmbaren Teil aus Menschen zwischen 20 und 25, also einer Generation, die Prince als Maßstab der Popwelt, der er in den 80er-Jahren war, nur aus Erzählungen kennen kann. Diese halbe Million kann einfach nicht irren – schon allein deshalb nicht, weil man selbst dazu gehört.
Das Absurde am Umstand, dass jemand wie Prince ohne Probleme 500.000 Konzerttickets verkaufen kann, ist, dass er in der öffentlichen Wahrnehmung des Pop-Mainstreams nicht mehr vorkommt. Er ist lediglich Vorbild vieler, tausendmal zitiert, Autor gnadenlos guter Lieder. Er hat sich aus dem Zirkus der Musikindustrie verabschiedet, er verschenkt seine Musik, wenn’s sein muss. Und er ist – wie die Londoner Show beweist, noch immer begnadet, wenn er auf der Bühne steht.
Die Band ist – natürlich – eine Funk-Maschine, die ihresgleichen sucht. Sie ist überraschend schlank gehalten, für die Gitarrenarbeit etwa ist allein Prince zuständig. Die Bühne in der Mitte der Halle ist großartig. Die Show verzichtet auf jeglichen Schnickschnack. Und der Zeremonienmeister des Abends weiß, was sein Publikum will: Klassiker in etwas neuem Gewand, ein Medley am Piano zwischendrin, irgendwann „Purple Rain“, unbedingt „Nothing Compares 2 U“, ein paar Lieder jüngeren Datums – und einen Prince, der sich um keine Moden scheren muss, weil er schon für genug verantwortlich war. Es ist einfach alles wie immer: Ein absurd kitschiges Styling, einmal regnet es gar Herzen von der Bühne, am Merchandising-Stand gibt’s ein Programmheft, in dem Prince vor einem türkisfarbenen Bentley posiert, und wenn er singt, den Jimi Hendrix macht, tanzt oder sich ans Klavier setzt, beweist er, dass er für dies alles geboren worden ist.
Prince ist heute der König des Entertainments, so wie Elvis Anfang der 70er-Jahre, als er in der Form seines Lebens war und völlig aus der Mode, als er noch kein Korsett brauchte und Las Vegas bespielte (alles nachzusehen im wohl besten Konzertfilm der Welt, „That’s The Way It Is“). Er verwaltet mit Würde (und der Ironie die es braucht, um als Zeuge Jehovas Songs wie „Kiss“ zu spielen) seine große Vergangenheit. Er kann einfach nichts anderes. Und er kann es besser als alle anderen. Punkt.