Ein weiterer Nachtrag zu einer Geschichte, die am 1. Februar 2007 hier gepostet wurde. Es ging darin um Porno, das Netz – und wie sich beides gegenseitig beeinflusst, ästhetisch wie ökonomisch. „Wenn alle von Ebay, Amazon und Google als Heilsbringer des Web 2.0 schwärmen, weil endlich jemand im Netz Geld verdient, vergessen sie gerne, dass die Porno-Industrie das Netz schon lange vorher als ökonomisch erfolgreiches Verteilersystem für sich entdeckt hat. Überhaupt ist Porno gerne Motor für technische Innovationen“, schrieb ich darin.
Das war früher. Und wie vieles, das der Netzkultur entspringt, war es eine ganz simple Idee, die alles verändert hat. Sie heißt Youtube und ist heute der Standard in Sachen Videos im Web, weil es jeder Depp bedienen kann. Als dann irgendwann zum ersten Mal die Nachricht von dessen Porno-Klon YouPorn die Rede war, wo Clips ohne technische Stolpersteine (und gratis) angeschaut werden können, war die erste Reaktion: Klar. Das hat kommen müssen. Und irgendwie schade, dass der, der diese Idee hatte, wer anderer war. Da müsse doch sagenhaft viel Geld damit zu machen sein, oder?
Womit wir beim ersten Irrtum wären: Gestern fand ich zum ersten Mal die Zeit, eine Ausgabe des vor nicht allzu langer Zeit von Condé Nast in Amerika lancierten Hochglanz-Wirtschaftsmagazins Portfolio zu lesen. Es war die November-Ausgabe und dafür schrieb eine Autorin namens Claire Hoffman eine Reportage (auch online zu lesen), die das Cover mit folgendem Titel ankündigte: „Youporn. How the Internet Killed The Smut Business“. Darin macht sie sich auf die Suche nach jenen Personen, die hinter Youporn stecken und beginnt dabei im San Fernando Valley, Heimat der weltgrößten Pornoindustrie. Sie erzählt darin von fallenden Verkaufszahlen, die selbst die darbende Musikindustrie gut aussehen lassen.

 

2006 waren es 35 Prozent verkaufte DVDs weniger als im Jahr davor in Amerika, und 2007 wird’s noch düsterer. Das Online-Geschäft tut sich schwer, diese Verluste auszugleichen, weil es so viel gratis gibt. User stellen ihre privaten Filmchen online, und Youporn ist erstmals eine Plattform, die das alles bündelt – überbordende Copyrightverletzungen inklusive. Blöd nur, dass eine Industrie, die mit der Sünde handelt, sich ungleich schwerer tut, es von Gerichten ahnden zu lassen, wenn ihr um viel Geld produziertes Material über Umwege gratis veröffentlicht wird. Sie hat nämlich weniger Lobby als etwa Hollywoods Filmstudios.
Das ist die eine Sache. Die andere ist, dass sich mit Youporn sowieso kein Geld verdienen lasse, wie der Pornoproduzent Steve Hirsch in Portfolio sagt. Er müsse es wissen, denn schließlich sei es ihm zum Kauf angeboten worden. Für 20 Millionen Dollar, aber – so Hirsch sinngemäß – er sei weder Google noch blöd, um sich der Sache anzunehmen. Niemand könne bei Youporn verhindern, dass Altersgrenzen unterschritten werden oder sonstige illegale Dinge in die Öffentlichkeit geraten – und wer so etwas auf eine seriöse Art abwickeln möchte, bringe sich in Teufels Küche.
So – und das ist jetzt der zweite Irrtum in Sachen Online-Pornografie; einer, dem zum Glück ein anderer aufgesessen ist – erzählt die Autorin Hoffman dann die Geschichte eines Mittvierzigers und mehrfachen Familienvaters namens Stephen Paul Jones, der in einem idyllischen Haus in Kalifornien lebt und damit hadert, dass er vor etwa einem Jahr eine Idee in die Tat umgesetzt hatte, die ihm heute aus oben umrissenen Gründen keiner abkaufen will. Und er hadert damit, dass er sich in dem Geschäft aus moralischen Gründen gar nicht wohl fühlt, für das er sich aus dem Bauch heraus entschieden hat. Er betreibt mit einem Partner eine Webplattform für Pornofilmchen aller Art, die zu groß ist, um sie einfach abzudrehen, weil ihm das seine Existenz kostet. Und er betreibt eine Plattform, die keiner der Großen des Geschäfts im San Fernando Valley angreifen möchte. Web 2.0-Gewinner werden in Magazinen wie Portfolio wohl anders dargestellt.