Angst!Es soll tatsächlich Menschen geben, denen ein sperriger Begriff wie „semantische Suche“ feuchte Träume beschert. Das hat damit zu tun, dass sie das next big thing im Netz ist. Wer einen Algorithmus dafür ersinnt, tötet Google. So lässt sich zumindest die Hoffnung zusammenfassen, mit der Startups an diesem Anspruch gerne scheitern.
Google, die Suchmaschine ohne Alternative, ist zwar gut, aber in Wahrheit blöd. Man kann ihr zum Beispiel nicht einfach Fragen stellen und darauf eine schlüssige Antwort bekommen. Nein, man muss sich mit Suchbegriffen vom Allgemeinen zum Speziellen hanteln, Dokumente anlesen, Dokumente verwerfen – all das eben, was zum täglichen Leben und Arbeiten im Netz dazu gehört. Google sucht Stichworte und sein Algorithmus bewertet die Relevanz der Fundstücke. Das ist ein Anfang, aber Antwort ist das keine.
Die semantische Suchmaschine hingegen kennt schlüssige Antworten. Du fragst: „Wie heißt der höchste Berg von Wien?“. Sie sagt: „Der Hermannskogel“. Klingt gut, nicht wahr? Und daher ist das eben auch feuchter Traum mancher Entwickler. Geld, Macht, Weltherrschaft – alles könnte in so einer Maschine stecken.

 

Unheimlich klug: Stephen Wolfram kennt sich mit Mathematik aus. Foto: stephenwolfram.com

Hier kommt der britische Mathematiker Stephen Wolfram ins Spiel. Er verabschiedet sich von der Vorstellung, dass die semantische Suchmaschine nur mit einem semantischen Web (ein Traum von Tim Berners-Lee) funktioniert, das aber bisher an den statischen Strukturen scheitert.
Wolfram sagt nun: Ach, höhere Mathematik reicht auch. Da er darin Spezialist ist (einem Wunderkind, das laut Wikipedia mit 16 seinen ersten wissenschaftlichen Artikel über Teilchenphyisk veröffentlicht hat, redet ein Normalsterblicher grundsätzlich einmal nicht dagegen) und mit dem Mathematica-Paket eine Art Google der mathematisch-naturwissenschaftlichen Software entwickelt hat, wird nun seine Ankündigung, im Mai sein nächstes Projekt online zu stellen, eifrig in On- Und Offline-Medien nacherzählt. 
Zuerst beim Blogger Nova Spivack, dann in zahllosen Blogs. So wird Wolfram wohl  dereinst das Netzkultur-Thema des März 2009 gewesen sein. WolframAlpha heißt seine Suchmaschine von morgen. Ein guter Name, weil er einen kleinen Hinweis auf die Eitelkeit ihres Erfinders gibt. Und ein Name, den sich die Welt vielleicht tatsächlich merken sollte, wie Wolfram in seinem Blog findet:

… with search engines, we can very efficiently search for specific terms and phrases in that text. … But we can’t compute from that. And in effect, we can only answer questions that have been literally asked before. We can look things up, but we can’t figure anything new out … I wasn’t at all sure it was going to work. But I’m happy to say that with a mixture of many clever algorithms and heuristics, lots of linguistic discovery and linguistic curation, and what probably amount to some serious theoretical breakthroughs, we’re actually managing to make it work.

Die Übersetzung lautet: Die Wundermaschine funktioniert. Und Mister Wolfram hat einen Ruf zu verlieren. In einem nächsten Schritt müssten sich dann nur mehr Menschen finden, die WolframAlpha auch benutzen. Denn eines hat dessen Schöpfer vielleicht nicht bedacht: Dass auch der web-affine Teil der Menschheit jeder Maschine misstraut, die auf alles eine Antwort weiß.
So war das nämlich nicht geplant. Die Geschichte des Personal Computing und des World Wide Web hat einen jeden von uns gelehrt, dass nichts so funktioniert, wie wir uns das eigentlich vorstellen. Und darum ist uns auch der Trottel Google so sympathisch. Mit ihm sind wir im Falle des Falles einfach zu blöd, um etwas zu finden.