Alle sagen, Iggy Pop hätte ein Jazz-Album aufgenommen. Das ist natürlich Blödsinn. Es ist nur sein bestes seit Jahren.
Eine schöne Klammer: Vor 40 Jahren erschien die Single „I Wanna Be Your Dog“ einer Band namens The Stooges. Der Song war das, was später einmal Punk heißen sollte: Primitiv, böse, bis heute unerreicht. Und soeben ist das Album „Préliminaires“ des ehemaligen Stooges-Frontmans Iggy Pop mit einem Song namens „King Of The Dogs“ darauf erschienen. Der Vollständigkeit halber: Wie ich in der Online-Presse lese, gibt es in seinem Werk auch noch zwei weitere Songs zum Themenbereich Hund.
So weit, so nebensächlich. Die Hauptsache ist, dass das Album eine kleine Sensation ist. Iggy – so dachte ich bisher – ist zu lebenslanger Unvernunft geboren und daher auch zur lebenslanger Unvernunft verdammt. Wie sonst hätte er es sich vor zwei Jahren, mit 60, noch antun können, seine alte Lumpen-Truppe noch einmal für ein Album zu reanimieren. The Weirdness, das Reunion-Album der Stooges, war übrigens besser als das meiste, was bei seinem Erscheinen sonst so an Dreiakkord-Rock für Biertrinker kursierte, und damit war die Mission erfüllt. Die Erfinder der Faustfickmusik hatten ihr ein letztes Mal die Ehre gerettet, und seit der Gitarrist Ron Ashedon im Jänner dieses Jahres an einem Herzinfarkt verschied, ist das Thema auch erledigt.
Aber Iggy Pop hatte schon vorher Michel Houellebecqs Roman „Die Möglichkeit einer Insel“ gelesen und ein bisschen übers Leben nachgedacht (in Houellebecqs Sinne wohl in der Richtung: Es gibt kein Glück – und Sex ist auch überbewertet). So gelangte er über Umwege in die Situation, für eine Dokumentation über den französischen Menschenfeind einen Song zu verfassen.
Und ein weiterer Umweg führte dann zum Album „Préliminaires“, dessen Songs allesamt aus dieser Lektüre entstanden. Houellebecq erzählt zum Beispiel in „Die Möglichkeit einer Insel“ sehr viel über Hunde, womit auch der Titel von „King Of The Dogs“ geklärt wäre. Doch in Wahrheit sind all diese Referenzen nebensächlich, denn durch seine Abkehr vom Punkrock fand Iggy Pop sichtlich genug Inspiration, um seine besten Songs seit langem zu schreiben.
„At one point I just got sick of listening to idiot thugs with guitars banging out crappy music“, lautet das gerne verwendete Zitat seiner Hinwendung zu verrauchter Barmusik, New Orleans-Blaskapellen und altersweiser Lyrik. Jazz ist das natürlich nicht, aber sehr kleidsam für einen Mann seiner Fasson. Er singt mit einem herzerweichenden Bariton, der von seinem wilden Leben kündet, Zeilen wie diese: „You can convince the world that you’re some kind of superstar, when an asshole is all you are, but that’s all right.“ Er wagt sich an französisches Liedgut und stolpert ohne Angst vor Peinlichkeit durch den Klassiker „Les Feuilles Mortes“. Er trällert einen Bossa Nova (Iggy! Bossa Nova!! Herrgott!!!). Und er macht damit entschieden mehr Freude wie eine weitere Inkarnation des sehnigen Barbaren auf Urschrei-Therapie.
„Préliminaires“ heißt übrigens Vorspiel. Und Iggy wäre nicht Iggy, wenn er danach nicht weitermachte und irgendwann noch zu einem Höhepunkt gelangte – lauter gute Aussichten also für heute.
Weil es so schön ist: Hier das interaktive Video zu Iggy Pops „King Of The Dogs“:
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