Foto: Hamed Saberi/flickr

Nun haben also die Facebook-Freunde in den vergangenen Tagen ihre Profilfotos grün eingefärbt. Nun habe ich also schnell ein kleines Symbol meiner geistigen Unterstützung ins Logo von ZiB21 hinein geflickt. Nun habe ich auch den heutigen Abend damit verbracht, die die Diskussion meines werten Mitherausgebers hier auf ZiB21 zu verstehen, die er auf Facebook mit einem Leser unserer Seiten führte (Ich kann sie hier nicht wiedergeben, weil sie auch im Sinne des Social Web noch immer privat ist. Nur so viel: Sie begann mit dem Iran und landete über Nordkorea bei der Frage wie passé denn „cool“ sei). Nun bin ich noch immer nicht klüger.

Und darum verwende ich die Gedanken eben am besten dazu, ein wenig Ordnung herzustellen. Für mich, nicht für den Iran. Der wird mir wohl in Wahrheit immer zu kompliziert bleiben, aber egal … Wie von Michel Reimon schon vorgedacht, tauchen irgendwann nach der großen Euphorie, weil möglicherweise gerade etwas Großes passiert, die ersten Frage und die ersten Versuche von Analysen auf. Im Zusammenhang mit dem Iran sind das drei.

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Die Ereignisse im Iran sind uns Digital Natives näher als vergleichbare Vorgänge bisher. Sie reichen zwar noch nicht für Bilder, die ganze Generationen prägen wie 9-11, aber wer sich darauf einlässt, bekommt sie so vielschichtig vermittelt, dass er sich als Teil davon fühlt. Das hat wohl damit zu tun, dass die Medien, über die wir den Iran wahrnehmen, Teil unserer Alltagskommunikation sind. Dort, wo gestern noch von einer Dame mit Profilfoto in ästhetisch einwandfreiem Schwarzweiß der richtige Nagellack verhandelt wurde, postet heute dieselbe Dame in solidarischen Grün einen Link zu einem Youtube-Video oder auf eine Website wie diese.
So entsteht Nähe. Und so kriegt auch die Prognose einen Sinn, die ein Kollege, der hier übrigens viel zu wenig bloggt, schon vor ein ein paar Monaten wagte. Die Einzeiler auf twitter und Facebook, sagte er, werden uns eine völlig neue Form des Erzählens bescheren. Wie sie genau aussehen sollte, wusste er damals noch nicht zu beschreiben. Doch jetzt, wo viele gleichzeitig über ein Ereignis nachdenken, es niederschreiben und es verlinken, ist sie plötzlich da, seine neue Erzählform. Sie fühlt sich frisch und aufregend an. Sie berührt einen mehr als der übliche Blödsinn zum Thema, die Liveschaltungen in den Fernsehnachrichten oder die knöchernen Analysen in der Zeitung.
Andrew Sullivan, ein Blogger-Urgestein, spürt das ähnlich. Er schreibt:

[…] it was impossible not to feel connected to the people on the streets, especially the younger generation, with their blogs and tweets and Facebook messages – all instantly familiar to westerners in a way that would have been unthinkable a decade or so ago. This new medium ripped the veil off „the other“ and we began to see them as ourselves.

Oder Clay Shirky in einem Interview:

I’m always a little reticent to draw lessons from s still unfolding, but it seems pretty clear that … this is it. The big one. This is the first revolution that has been catapulted onto a global stage and transformed by social media. I’ve been thinking a lot about the Chicago demonstrations of 1968 where they chanted „the whole world is watching.“ Really, that wasn’t true then. But this time it’s true … and people throughout the world are not only listening but responding. They’re engaging with individual participants, they’re passing on their messages to their friends, and they’re even providing detailed instructions to enable web proxies allowing Internet access that the authorities can’t immediately censor. That kind of participation is really extraordinary.

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Die Ereignisse im Iran legen die Ansicht nahe, dass sich Proteste und Revolten wegen neuer Medien wie twitter (und der Kooperation und Hilfe vieler Sympathisanten) von keinem Regime der Welt mehr totschweigen lassen. Das setzt natürlich voraus, dass eine technologische Basis für diese Art der Kommunikation vorhanden ist. Womit wir wieder beim ganz oben schon erwähnten Nordkorea wären: Wer keinen Zugang zum Internet hat und keine Fotohandy besitzt, kann sich seine flickr-Fotostreams natürlich sonstwohin stecken. Er wird nicht gesehen werden, seine Schreie werden nicht gehört, er hat verloren.
Abgesehen davon kann ich nicht einschätzen, welche Tricks die von Nokia Siemens Networks an den Iran gelieferte Überwachungsausrüstung draufhat – und damit ist es wohl schwierig zu beurteilen, ob sich nicht auch doch die Leitungen des Social Web kappen lassen. Oder anderes gedacht: Warum sollte, was in China geht, nicht auch im Iran klappen?
Trotzdem haben die vergangenen Tage eine großen Vorteil für die Reformbewegung: Es wurden so viele Bilder und Eindrücke geschaffen, die sich – übers Web verteilt – nicht mehr löschen lassen. Irgendjemand wird sie eben doch noch auf seiner Festplatte stehen haben.

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Die Ereignisse im Iran haben den traditionellen Journalismus an seine Grenzen geführt. Und weil er sich nicht traute, sie zu überschreiten, waren am Schluss die ungefilterten News-Schnippsel in Blogs, auf twitter und sonstwo die Gewinner. Wird er (also der traditionelle Journalismus) etwas daraus lernen?
Hier handelt es sich um eine reine Glaubensfrage. Und ich glaube nicht, dass er daraus lernen wird. Er kann sich schon aus seiner Struktur heraus nicht ändern, weil sie Behäbigkeit einfordert. Er beansprucht Recherche als seine Kernkompetenz, die ihm niemand streitig machen könne. Und dabei wird geflissentlich verschwiegen, dass der Großteil der Journalisten in den vergangen Jahren dort, wo es möglich war (also zumeist in Print), wenig anderes tat, als Online-Textschnippsel zu Collagen zu ordnen und diese dann den Konsumenten als besseren, recherchierteren Journalismus zu verkaufen.
Diese Fassade, mit der eine Branche in den vergangenen Jahren noch immer viel Geld verdiente, beginnt nun zu bröckeln, weil es andere oft besser machen. Man muss kein Technikgläubiger sein, um mit einem passionierten Live-Blog wie dem auf Huffingtonpost.com besser bedient zu werden, als mit dem von dort abgeschriebenen Zeug, das sich für wahren Journalismus hält.
Dass ich damit sicher vielen Menschen Unrecht tue, beweist nicht zuletzt dieser Artikel von Julie Posetti auf Mediashift, in dem sich ausführlich darüber nachdenkt, was Journalisten aus den vergangenen Tagen lernen können: Rules Of Engagement For Journalists On Twitter.