Die Digital Natives sind ein willkommenes Feindbild für die Medienindustrie. Aber sie sollten aufhören, das cool zu finden.
Unter manchen Bedingungen bin ich ja gerne ein Dieb. Und am liebsten wäre ich dann natürlich ein König der Diebe, einer dieser Wunderwuzzis wie Google News, gegen die Rupert Murdoch (von Beruf stinkreicher Verleger) und Tom Curly (Chef der Nachrichtenagentur AP) vor ein paar Tagen auf einer Medientagung in Peking gelästert haben.
„Die Aggregatoren und Plagiatoren werden schon bald dafür bezahlen müssen, wenn sie unsere Inhalte übernehmen. Aber wenn wir nicht von der derzeitigen Bewegung hin zu bezahlten Inhalten profitieren, dann werden die Hersteller der Inhalte untergehen und die Content-Kleptomanen werden triumphieren.“
Plagiator. Kleptomane. Aggregator. Das klingt mir gegenüber nicht freundlich gemeint, auch wenn ich hier in meinen Texten bloß verlinke. Und das klingt nicht gerade verständnisvoll, obwohl ich mit meinem Link für Traffic beim Original gesorgt habe.
Überhaupt führen die Verständnisprobleme zwischen Online- und Offline-Welt dieser Tage zu einer recht unangenehmen Rhetorik, in der Armin Thurnhers „Meerschweinchen“ (siehe hier oder hier) noch recht harmlos wirken. Auf der einen Seite die alten Verlagsschlachtschiffe, die mit Bezahlschranken gegen die Freibeuter da draußen vorgehen wollen. Auf der anderen Seite die Underdogs, die durch ihre Leben im Netz den Menschen von morgen schaffen wollen – eine Spezies, die Frank Schirrmacher von der FAZ als Nerd nun auch den Mainstream-Diskurs eingeführt hat. Als böten sich wegen eines veralteten Urheberrechts-Begriffs und der wohl kaum umkehrbaren Gratiskultur nicht schon genug Kampfzonen für einen Medienbetrieb der Zukunft, brandmarken alte Herren wie Murdoch in einem Aufwaschen eine ganze Generation von Digital Natives als Wegelagerer und Diebe. Was er dabei nicht bedenkt: Der Digital Native ist kein Trottel und er liebt seine Freiheit. Und darum fühlt er sich durch solche Zuschreibungen höchstens in der Richtigkeit seines Handelns bestätigt.
Warum auch nicht? So lange niemand innerhalb der alten Medien bereit ist, ihn als Chance und Lehrer zu akzeptieren, gefällt er sich eben in seiner Robin Hood-Mentalität, die er gegebenenfalls bis zur Unerträglichkeit vor sich herträgt: Alle andere sind Deppen, die das Netz nicht verstehen. Alle anderen werden mit Getöse untergehen. Alle anderen werden schon noch sehen, wo sie mit ihrem Bestehen auf vererbten Pfründen bleiben.
Dass die Wahrheit möglicherweise irgendwo dazwischen liegt, kommt bei dieser Aufrüstung der Worte keinem mehr in den Sinn. Wir da unten gegen die da oben. Das ist die Position, in der sich auch viele Alpha-Blogger allzu gut gefallen – bei vielen deutschsprachigen Medien-Bloggern kommt dann noch eine gehörige Portion Humorlosigkeit dazu, die ihr Wirken erst recht nicht für jeden verdaulich macht.
Und ich gebe es lieber gleich zu: Auch ich bin vor solcher Selbstherrlichkeit nicht gefeit. Wenn ich wie vergangenes Wochenende am Wiener Publizistik-Institut eine Lehrveranstaltung zum Thema Weblogs halte und mich dabei in Diskussionen zur Zukunft des Medienbetriebs im Zeitalter des Social Web verheddere, freut es mich natürlich auch, wenn mir Studenten in der Pause erzählen, dass bei älteren und traditionsbewussteren Lehrenden an ihrem Institut das Social Web vor allem negativ beurteilt wird. Da fühlt man sich dann gleich jünger, frischer und fitter für die Zukunft.
Pah! Als wüsste ich schon, wie die Zukunft aussieht. Als könnte ich behaupten, dass ich auch in ein paar Jahren noch als Journalist und anständig entlohnt mein Dasein fristen werde. Ich bin mir bloß sicher, dass diese Zeiten vorbei sind. Und ich bin überzeugt davon, dass sich ein Beruf wie der meinige grundlegend wandeln wird.
Da hilft es weder, sich zu Tode zu fürchten, noch die Waffen zu entsichern. Das gilt für Murdoch genau so wie für mich. Es wird nämlich gar keinen Kampf mehr geben, weil sich keiner um die essenziellen Dinge gekümmert hat, als es an der Zeit gewesen wäre. Daher macht heute etwa Online-Werbung keinen reich außer Google. Ist ja auch gerecht so, denn wer als erster sinnvolle Lösungen wie Adsense und Adwords ersinnt, soll dafür auch belohnt werden.
Die Musikindustrie alten Zuschnitts ist an ihrem Starrsinn schon zerfallen. Der Medienindustrie wird es ähnlich ergehen, wenn sie nicht im letzten Moment doch noch erkennt, dass sie es im Netz nicht mit primitiven Eingeborenen zu tun hat, die es mit Feuer und Schwert zu einer veralteten Auffassung des Urheberrechts bekehren kann. Und den Eingeborenen würde es auch nicht schaden, sich in den Diskussionen manchmal ein bisschen weniger wichtig zu nehmen und die Nabelschau im persönlichen Umfeld zu beenden. Selbst der König der Diebe ist ja am Ende schließlich doch noch verraten worden.