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Ein gemeines Virus. Ein gefährlicher Kartenleger. Und vier Buben aus England treiben allen den Teufel aus.

Früher einmal war die Krankheit dazu da, Dinge zu tun, die man normalerweise nicht tut. Fernsehen am Vormittag zum Beispiel. In diesem Zusammenhang erweist sich eine Krankheit dann wieder als Mittel zum Lernen. Es ist nämlich ein schwerer Fehler, am Vormittag fernzusehen. Dort treiben Herren wie Mike Shiva auf Sendern wie 9Live ihr Unwesen. Mike Shiva sieht nicht besonders vertrauenswürdig aus (Ich gebe zu: ein rein subjektiver Eindruck), aber das hindert viele Leute doch nicht daran, ihn anzurufen, sich die Karten legen zu lassen und dann die Bestätigung zu kriegen, dass die Zukunft eh halbwegs gut laufen wird.

So ein Mist, denkt da der Zweckpessimist. Wie soll eine Zukunft rosig aussehen, die einem von Mike Shivas im Fernsehen erklärt wird? Die macht einen doch schon beim bloßen Zuschauen noch kränker als man eh gerade ist.

So weit, so Exkurs. Es hat sich nämlich erwiesen, dass mein Medienverhalten sich nicht mehr in die Vergangenheit zurück versetzen lässt. Fernsehen hat darin keinen Platz mehr. Interessiert mich nicht, ist zeitlich zu verpflichtend, und der Live-Gedanke ist in der Netzwelt auch schon relativ.

Wenn alles irgendwie live um einen herum streamt, kann man trotzdem nicht überall hinschauen, und verteilt sein Interesse dann eben zeitversetzt auf die diversen Kanäle.

Oder noch besser: Wenn einen Krankheit vorübergehend ein wenig von der beruflichen Pflicht des Dauerinformiertseins entbindet, findet sich Zeit für die Musiksammlung. Da liegen eh schon seit Wochen ein paar Schätze drin, die gehoben gehören.

Julian Casablancas gehört nicht dazu, auch wenn ihn die Kollegin Alexandra Augustin von FM4 gerade wegen „Phrazes For The Young“ zum Album der Woche kürt. Nicht, dass er keine Songs schreiben könnte. Aber sein Hang zum Synthesizer schielt so sehr nach Nullerjahre-Coolness, dass man ihm entgegen rufen möchte: Lieber Julian, wir schreiben das Jahr 2009. Es war schön, dass du mit deinen Strokes drei recht ansprechende Alben gemacht hast, aber jetzt lass es einmal gut sein. Wir haben einmal zu oft selbstgefällige Dandy-Figuren und ihr Leid an den Luxusproblemen ihres Lebens gehört.

Und so konnte ich mich endlich und ausgiebig den vier Herren von The Heavy aus Großbritannien widmen, die vor einer Woche ihr Album „The House That Dirt Built“ veröffentlicht haben. Die haben erstens genau das, was Casablancas, seinen Strokes und dem ganzen Rattenschweif an Bands danach immer abgegangen ist: Funk. Und die sind zweitens hemmungslose Hedonisten britischer Prägung. Ihre Frisuren sind ihnen tendenziell eher egal, so lange die Versorgung mit Bier und Zigaretten gewährleistet ist. Das pflegt die Stimme des Sängers Kelvin Swaby so, dass er immer klingt, als müsste er gerade den Teufel austreiben, obwohl er eigentlich nur einen Kater hat. Das sorgt dafür, dass ich mich schon jetzt auf ihre Show im Wiener WUK am 19. November freue. Das ist genau die richtige Musik, um Viren auszutreiben. Sie können einen vielleicht niederringen und sogar aufs Bett werfen, aber irgendwann kommt immer der richtige Zeitpunkt für einen gestreckten Mittelfinger. Da, nehmt ihn, ihr Elenden …

Im Übrigen bekam ich heute eine Einladung zum neuen Superduper-Kommunikationsdienst Google Wave. Nach dem, was ich bisher gelesen habe, handelt es sich dabei um einen Lebenszeitvernichter der Sonderklasse. Blöderweise gehe ich heute am Nachmittag zum Arzt, um mich für Montag gesund schreiben zu lassen. Google Wave kommt also zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Das hätte ich gebraucht, als ich The Heavy noch nicht entdeckt und daher dreißig Minuten meines Lebens an Mike Shiva verschenkt habe.

P.S.: Hier noch der Link zum Heavy-Video „Sixteen“