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Der Leser ist nicht so blöd wie alle glauben: Spannende Erkenntnisse aus einer US-amerikanischen Studie zur Rolle des aktiven Mediennutzer.

Ich weiß, wir sind hier nicht in den USA. Ich weiß, unsere Medienlandschaft ist völlig anders organisiert und gehorcht völlig anderen Gesetzen. Und ich weiß, dass sich wohl wenig von dem, was im neuen Bericht des PewResearch Centers namens „Understanding the Participatory News Consumer“ steht, direkt auf hiesige Verhältnisse übertragen lässt.

Leider kenne ich bloß niemanden, der solch umfassende Papiere für dieses Land anfertigt. Das Publizistik-Institut der Wiener Uni zum Beispiel rühmt sich auf seiner Website bloß für folgende Forschungsprojekte, die Fachhochschule für Journalismus in Wien pflegt in Kooperation mit dem Kurier ein Onlinemagazin namens Punkt, das in seinen Beiträgen keine Links kennt und von Social Media wohl noch nie etwas gehört hat. Das Publizistikinstitut in Salzburg hat seine Forschungsarbeit hier gebündelt und mir damit auch nicht geholfen. Auf der Website des Kuratoriums für Journalistenausbildung werde ich ebenfalls nicht fündig. Und jetzt bin ich zu müde, um weiter zu suchen und bitte bloß noch um sachdienliche Hinweise, die mir weiterhelfen könnten.

Schließlich gefällt mir der Eindruck nicht, dass in Österreich unbeirrt weiter Zeitungen gedruckt werden (auf Papier und ins Internet), während an solch modernen Blödsinn wie den „Participatory News Consumer“ nicht allzuviele Gedanken verschwendet werden. Soll er doch einen Leserbrief schreiben, der Wichtigtuer, wenn er uns Journalisten sagen will, wie es geht. Google können wir noch immer selbst am besten, um dann mit den Ergebnissen unsere Zeitungen zu befüllen.

So, genug geraunzt, reden wir kurz von den USA und dem „Participatory News Consumer“, den das PewResearch Center dort zu erkennen vermag:

  1. Das Internet ist in den USA die Nummer drei der populärsten Trägermedien für den Konsum von News im Sinne von journalistisch aufbereiteten Nachrichten – nach nationalem und lokalem Fernsehen, vor nationalen und lokalen Zeitungen und Radios.
  2. Ein Drittel der Handy-User benutzen ihre Geräte, um Medien zu konsumieren.
  3. Ein knappes Drittel der Internet-User verwenden Tools, um ihre News zu personalisieren, damit sie nur mehr Themen konsumieren können, die sie am meisten interessieren, also etwa Dienste wie iGoogle.
  4. Und ganze 37 Prozent nutzen Social Networks, um News aktiv zu verbreiten – in Kommentaren und geposteten Links. Der Konsum von Nachrichten ist damit eine soziale Handlung, die nicht mehr einseitig läuft (Ich schreibe, ihr lest, aus), sondern den Prozess der Verbreitung und Reflektion von Nachrichten erst anheizt (Ich schreibe, ihr lest, ihr diskutiert, ihr erzählt es weiter, ihr tragt was bei).
  5. Und vor allem: Der Leser ist offensichtlich nicht so blöd und passiv, wie viele Redaktionen gerne glauben:

A significant portion of online news consumers judge news organization websites by the degree to which they facilitate the social sharing of news. Some 44% of these online news consumers say that one of the factors they use in choosing where to get news online is whether it is easy to share the site’s content with others through emails or postings on social networking sites.

Der Bericht erzählt natürlich nicht vom Tod der Zeitung in den USA (wenn schon, erledigen den die fehlenden Anzeigen), aber er liefert die Zahlen zu einem grundlegenden Wandel im Umgang mit News und Journalismus, der zwangsläufig die Organisation und die Geschäftsmodelle von Journalismus verändert.

Nicht, dass die Verlage in den USA schon viele Schritte weiter im Entwickeln neuer Modelle sind, doch zumindest experimentieren sie: Wenn dereinst umgesetzt, könnten die Paywall-Pläne der New York Times ein für allemal klären, ob bezahlter journalistischer Content für ein Mainstream-Angebot im Netz überleben kann. Und diverse Tablet-Studien (etwa die von Time Inc. für Sports Illustrated oder die des Magazins Wired) zeigen, dass auch geschlossene Systeme mit multimedialem Content eine Strategie sind, die es sich zu verfolgen lohnt.

Von heimischen Verlagen sind mir solche Ideen nicht bekannt (auch hier gilt: Sachdienliche Hinweise sind willkommen). Alles läuft prima. Nichts ist zu tun. Und nur weil sie drüben in München wieder ein paar Problemchen haben, heißt das noch lange nichts für Österreich.

Sagen wir es in Abwandlung des Lieblingszitates des vor einigen Monaten hier bloggenden Terence Lennox also am besten so: Print ist zwar noch nicht tot, aber Print benimmt sich komisch. Und das werde ich wohl nie verstehen.

Noch was: Auch das Video State Of The Internet“ von Jesse Thomas wirkt in diesem Zusammenhang sehr inspirierend (via murdelta):