Neulich bei den Oscars lief der erste TV-Spot für Apples iPad. Foto: Screenshot

Apples iPad soll die Print-Branche retten. Mit der Online-Kultur hat es wenig zu tun.

Auf ReadWriteWeb ist zu lesen, dass npr.org und das Wall Street Journal eifrig an Versionen ihrer Websites basteln, die den technischen Spezifikationen des iPad entgegen kommen. npr will in der iPad-Version auf Flash vollständig verzichten, weil Apple just jene Technologie nicht unterstützt, die im Web für das Gros der multimedialen Inhalte und damit auch das Gros der Werbung genutzt wird. Das Wall Street Journal geht nicht so weit, sondern verbannt auf dem iPad die Flash-Anwendungen bloß von der Startseite. Wer sich tiefer in die Seite klickt, darf also allerorten den leidigen Legostein erwarten, der User davon unterrichtet, dass er hier Content vor Augen hat, den er auf seinem iPad nicht sehen wird.

Daraus lässt sich zweierlei ablesen: Dass Content-Produzenten Geräten wie dem iPad durchaus Potenzial zutrauen, denn sonst wurden sie wohl kaum Geld in viele Zeilen Programmcode stecken. Und dass das Programmieren von Websites noch ein Stück komplexer wird, weil ein weiteres Endgerät auch zusätzliche Arbeit bedeutet.

So weit, so deren Problem. Bleibt noch die Frage, warum nicht gleich eine geschlossene Applikation, die nicht im iPad-Browser läuft? Wo doch daran allerlei Heilsversprechen geknüpft sind, vor allem jenes saftiger Anzeigenumsätze, weil die User einem Portal so ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken können, anstatt es über Links auch gleich wieder zu verlassen?

Da gönne ich mir als Antwort nur eine Vermutung: Große Content-Portale mit breitem Themenspektrum können sich kein geschlossenes System leisten. Ihre User sind die offenen Strukturen des Web gewohnt, leben sie, nutzen sie. Weil das iPad kein Multitasking erlaubt, erlaubt es auch keine offenen Strukturen, denn dazu bräuchte es einen parallel zur App laufenden Browser. Und User, die offene Strukturen schätzen, werden wohl vermeiden, Apps bloß deshalb zu nutzen, weil es dort hübschere Werbung gibt.

So hinterlässt einen auch dieses Video von der Präsentation der Tablet-Version des Magazins „Wired“ etwas ratlos (Sie läuft laut magCulture auf einem Gerät von Dell und verwendet Adobe Air). Sieht ja toll aus, aber sollen Werbekunden tatsächlich glauben, dass das Publikum sehnlich darauf gewartet hat, mit ihren Sujets allerlei Spielchen anzustellen?

Aber egal, denn ein anderer Aspekt ist ohnehin spannender: Hinter Konzepten wie dem von „Wired“ steckt wohl ein ganz anderer Wunsch: der, den Konsumenten wieder länger als für bloß ein paar Sekunden seiner Aufmerksamkeit zu gewinnen. So sehr das Web die Produktion, Verbreitung und den Konsum von Informationen aller Art revolutioniert hat, so sehr hat sie auch unsere Aufmerksamkeitsspannen beim Konsum von Medien verringert.

Seth Godin nennt das in seinem Blog „Driveby culture and the endless search for wow“. Der durchschnittliche User sei wie ein Kinobesucher, der nach sechs Sekunden aufsteht und den Saal verlässt – ein Problem, das noch dadurch zementiert wird, dass die meisten Content-Seiten dieser Welt danach gieren, so viele Klicks wie möglich zu generieren, anstatt den User in der Seite zu halten. Oder anders formuliert: Ihn vom bloßen Klicker zum Fan zu machen, der gerne und oft wieder kommt – so wie bei der gedruckten Zeitung eben, der ein Abonnent täglich 30 Minuten seiner Aufmerksamkeit schenkt.

Darum knüpfen Print-Verlage so viel Hoffnung an Tablets wie das iPad. Sie träumen – hier übrigens schlüssig erklärt von Mario García (mit Dank an Alexis Johann für den Hinweis) – von einer digitalen Zeitung, die das auf Flüchtigkeit angelegte Konsumverhalten der Online-Generation wieder entschleunigt.

Bleibt bloß die Frage, ob die das tatsächlich will.