Mit ihrem neuen Album erforscht die Band aus Wien einmal mehr die Grenzen der Rockmusik. Das Ergebnis ist herrlich.
Wenn einen Englischsprechenden etwas „blindsided“, dann hat er es nicht erwartet. Dann ist er überrascht, überrumpelt, perplex. So gesehen ist es fast ein bisschen kokett, dass die Sofa Surfers ihr neues Album „Blindside“ genannt haben. Wer je das letzte Album der Band hörte, es war das rote, hatte nämlich schon vor fünf Jahren ausgiebig Grund, überrascht zu sein. Da hatte sich das Quartett aus Wien (zählt man den Video-Künstler Timo Novotny dazu, muss man der Ordnung halber von einem Quintett sprechen) grundlegend neu erfunden – als Rockband für ein Publikum, das mit der Rockmusik schon lange abgeschlossen hatte, weil sich kaum einer mehr die Mühe machte, deren festgefahrene Strukturen und Macho-Gesten zu sprengen.
Die Sofa Surfers machten sich diese Mühe. Dieses rote Album war daher großartig, frisch, neu. Und dieses rote Album war großartig, weil es auf den Punkt brachte, wie sich eine Band, die einst völlig schuldlos für den Wiener Kaffeehaus-Elektronik-Sound der ausklingenden 90er-Jahre vereinnahmt wurde, zuerst als versierter Filmmusik-Lieferant für diverse Brenner-Kinothriller etablierte und diesen Sound danach wieder in den Song-Kontext stellte. Mit Mani Obeya als Sänger, der der endzeitlichen Kühle des Sofa Surfers-Sounds etwas wärmenden Soul schenkte.
Auch „Blindside“ merkt man noch an, dass dessen Schöpfer mit Rockmusik sozialisiert wurden. Doch „Blindside“ ist gleichzeitig ein konsequenter nächster Schritt. Ein Stück heiliger Lärm. Ein Stück gnadenloser Konsequenz und Reduktion. Ein Stück große Musik. Mit diesem Album triumphieren die Sofa Surfers dort, wo etwa Massive Attack – mit ihrem Faible für die Bassläufe von Dub und Artverwandtem sind sie durchaus vergleichbar – vor lauter gutem Geschmack im Geschmäcklerischen untergehen.
Und so bleibt nach straffen 44 Minuten und neun Songs nur eine Erkenntnis: Hier ist nichts überflüssig, nichts abgeschmackt, nichts ohne Idee. Verdammt, was für eine Band. Verdammt, was für ein Album.