Sicher, Jack White hat viel anderes zu tun. Aber mit seinen White Stripes war er trotzdem am besten.
Ja eh, Malcolm McLaren ist tot. Aber den sollen jene ausführlich zu Grabe tragen, die er geprägt hat. Widmen wir uns daher lieber einem lebenden Hero, der mir in den vergangenen Tagen gleich mehrmals so positiv aufgefallen ist, dass einmal mehr eine Lobeshymne verfasst gehört.
Als Jack White statt Malcom McLaren. Beginnen wir bei einem Album, das vor einem Monat erschienen ist. Es heißt „Under Great White Northern Lights“ und ist das Tondokument einer Tournee, in deren Rahmen die White Stripes im Jahr 2007 durch die entlegensten Winkel Kanadas tingelten. Zu Orten, deren Namen man gleich wieder vergessen kann. In kleine Säle, die aus allen Nähten platzen. Mit Bluespunk auf einer Nebenfahrband des Rock’n’Roll-Zirkus. Die White Stripes sind darauf ausschließlch so zu hören, wie sie sich zur Killer-Liveband hoch gespielt haben. Laut, dreckig und überdreht in ihrer abstrusen Konstellation als Duo mit all dem mystischen Brimborium, das seit Anbeginn zu ihrer Inszenierung gehört.
Richtig wehmütig könnte man werden, weil die White Stripes derzeit ja auf unbestimmte Zeit Pause machen und man so ein Naturereignis womöglich nie mehr zu hören bekommt. Die Band hat ja tatsächlich viel geleistet, den Song „Seven Nation Army“ zum Beispiel, der in der Rückschau als einer der stilprägendsten des vergangenen Jahrzehnts übrig bleibt. Und ehe jetzt die Klugscheißer mit „Ja, aber das Riff ist doch aus dem Adagio von Bruckners Fünfter geklaut“ kommen – eh, auch schon einmal gelesen und gerade jetzt wieder nachgehört, ab Minute 3:00 kommt es zum Beispiel hier zum Einsatz. Aber Jack ist mir eben näher als Anton. Und Jack ist ein Mann des Wesentlichen, der das Beste von Bruckner einfach so lange wiederholt, bis daraus ein Song für die Ewigkeit entsteht. Erschienen 2003, in diversen Kontexten gecovert und verwurstet, bei einem so jungen Werk ist das der endgültige Beweis für seine Relevanz.
Aber ich schweife ab. Wer „Under Great White Northern Lights“ auf CD ersteht, kriegt zum Album eine DVD dazu, die eine Dokumentation dieser Tour birgt. Der Regisseur Emmett Malloy hat die White Stripes durch Kanadas Norden begleitet. Nicht, dass er dabei besondere Intimitäten zwischen Jack und Meg White preisgäbe, dazu ist der Film auch zu sehr der Inszenierung der beiden verpflichtet. Alles ist in den prägenden Farben Rot, Schwarz und Weiß gehalten, die die White Stripes zwischen all den Hinterwäldlern immer wie Wesen von einem anderen Planenten wirken lassen. Ein bisschen gefährlich, ein bisschen unnahbar, aber unglaublich sexy. Meg spricht wie immer nichts oder nur abseitiges Zeugs, Jack erklärt die mystische Kraft des zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade zehnjährigen Schaffens seines Projekts. Das war’s.
Gerade aus dieser konsequenten Inszenierung abseits der Bühne entsteht die Kraft der Dokumentation. So wird ersichtlich, wie wenig die White Stripes irgendetwas dem Zufall überlassen. So wie bei ihren Urknall-Auftritten jedes Detail geplant ist, geben sie sich auch danach keine Blöße, die einen Menschen hinter dem Rocker zeigen könnte.
Doch dann kommt die letzte Sequenz vor dem Abspann. Jack White sitzt am Klavier, Meg gleich daneben. Er spielt „White Moon“. Meg beginnt zu weinen. Er singt fertig, nimmt sie in den Arm und streichelt ihr linkisch den Rücken. Das ist dann der Moment, in dem klar wird, wie großartig dieser Film ist – und wie großartig dieses Duo.