Gestern in Athen. Foto: Screenshot von ntv.de

Die Faktenlage ist hinreichend bekannt, wird vom Boulevard bereitwillig beackert (Tenor: „Wir“ müssen „sie“ mit unserem Geld retten), Griechenland ist bankrott und am Ende. Und wie um das zu beweisen, gerieten gestern in Athen von den Gewerkschaften initiierte Proteste gegen die ans Hilfspaket geknüpften Sparmaßnahmen außer Kontrolle. Autonome sorgten für Eskalation, am Ende starben drei Menschen in einer brennenden Bank.

Wieder so ein Moment, in dem man sich gerne zur auch anderswo schon formulierten Bilanz hinreißen lässt. Griechenland ist am Ende. Portugal und Spanien sind als nächstes dran. Dann der ganze Euro-Raum. Und dann natürlich auch noch der Kapitalismus als großes Ganzes.

Nun hat sich der Kapitalismus in der Vergangenheit als widerstandsfähiger erwiesen als viele seiner Gegner gerne hätten. Und mit jeder Krise, die er uns in den vergangenen Jahren beschert hat – egal, ob sie nun von Investment-Banken ausgelöst wird oder von einem korrupten Staat – ist in Wahrheit nur die Gewissheit gewachsen, dass irgendjemand helfen wird. Wie sagt der amerikanische Makroökonom Barry Eichengreen in dieser empfehlenswerten ZEIT-Story zum Thema:“Griechenland ist euer Lehman Brothers.“

Auch Griechenland wird also geholfen, um nicht den Euro-Raum als Ganzes in den Abgrund zu reißen. Die Europäische Union gewährt zähneknirschend Kredit, obwohl der EU-Vertrag den Euro-Staaten eigentlich verbietet, einander gegenseitig Schulden abzunehmen. Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe, sieht darin zwar keinen Verstoß gegen die so genannte „No Bailout-Klausel“, aber in Tagen wie diesen muss er das wohl sagen.

So weit, so Ende des Kapitalismus. In Sachen Europa sieht es da schon ein bisschen anders aus. An der Eskalation in Griechenland zeigt sich, dass Europa noch immer ein sehr wackeliges Konstrukt ist, weit entfernt davon, als eine Art Super-Staat an einem Strang zu ziehen. Europa ist ein Zweckbündnis unterschiedlichster Kulturen, die offensichtlich nicht immer zusammen passen. Und darum wird es im internationalen Spiel immer weniger relevant. So wie es Manfred Jäger, Finanzmarktexperte beim Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft in diesem Spiegel-Artikel formuliert: „Die Finanzmärkte trauen den Europäern schlicht nicht mehr zu, dass sie die Schuldenkrise in den Griff bekommen.“

Aber bleiben wir bei den einzelnen Sorgenkindern Europas. Bei Griechenland, Spanien und Portugal. Man braucht nur eine Landkarte zur Hand nehmen, um zu erkennen, wohin die Reise geht: in Richtung eines Konflikts des reichen Nordens gegen den armen Süden. Fleiß gegen Tachinieren. Transparenz gegen mafiösen Filz. Offene Gesellschaft gegen Clanstruktur. Klischee gegen Klischee. Und am Ende wird die Frage stehen, ob bei solchen Widersprüchen eine gemeinsame Währung überhaupt tragbar ist – und ob die Europäische Union als Ganzes eine Zukunft hat.

Nicht, dass mir diese Frage gefällt, weil sie natürlich auch der Europafeindlichkeit der Krone-Republik Österreich entgegen kommt. Aber man muss sich ihr stellen. Und dass Europa eine griechische Erfindung ist, bleibt in diesem Zusammenhang leider bloß eine Ironie der Geschichte.