Ich weiß, ich weiß. Das mit dem Balkan ist gefährliches Terrain. Eigentlich bloß ein geografischer Begriff für Südosteuropa, hat sich „der“Balkan“ schließlich schon lange zu einem Synonym für Korruption und Rückständigkeit entwickelt – für ein System des Wirtschaften und Lebens, in dem der Clan alles zählt und das Gemeinwohl nichts. Lauter praktische Klischees, die einem leicht von der Hand gehen, wenn südlich Kärntens ein Sack Reis umfällt. Eh klar, haben ihn die Tachinierer vom Balkan wieder nicht ordentlich an die Wand gelehnt. Und eh klar platzt der Sack auf, damit die Tachinierer den Reis stehlen können.
So weit ein paar der Klischees, die in Österreich wohl bis in alle Ewigkeit benutzt werden, um sich von denen abzugrenzen, die von woanders kommen und vielleicht auch ein bisschen so aussehen. Das ist selbstverständlich absurd – und nach diesem Sommer sogar besonders, weil die Klischees gerade dort eingelöst wurden, wo viele die Slowenen fürchten.
Der Balkan, von dem oben erzählt wird, liegt nämlich nicht südlich der Julischen Alpen, sondern in Kärnten. Dort, wo eine von Autoschiebermentalität getriebene Bande in politische Machtpositionen gelangt ist und sich ein weit verzweigtes Clan-System aufgebaut hat, von dem alle profitieren, die den Clan unterstützen – und von dem alle anderen selbstverständlich ausgeschlossen sind. Dass dabei eine Bank zu Fall gebracht wurde und Schmiergelder flossen, dass dahinter Korruption und Vetternwirtschaft höchsten Ausmaßes steckt – alles wurscht, denn im Ethos des Clans gedacht, ist der eigene Vorteil der einzige, der zählt.
Ob die Verantwortlichen für diese Verbrechen am Gemeinwesen zur Verantwortung gezogen werden, ob endlich Wolfgang Schüssel gefragt wird, was er von all dem wusste, ja ob vielleicht der Karl-Heinz endlich in den Häf’n geht – keine Ahnung. Da in Österreich Verfahren gegen Vertreter der Obrigkeit regelmäßig eingestellt werden, ist jedenfalls nicht damit zu rechnen. Und nur weil jemand unmoralisch handelt, muss das schließlich noch lange keine Straftat sein, oder?
Noch dazu, wo die grassierende Unmoral der politischen Klasse von Kärnten bis nach Wien herauf reicht, wie nun einmal mehr diese umfassend recherchierte Geschichte im profil beweist. Der Autor Gernot Bauer erzählt darin, wie sich die Wiener SPÖ seit Jahren mit Gemeindegeld ihre absolute Hausmacht erhält, weil sie die Gemeinde als ihre betrachtet – nichts davon ist so richtig illegal und alles davon ist im Sinne eines Clan-Denkens, das wiederum bloß den eigenen Vorteil kennt und dafür die Wähler mit Brot und Spielen verarscht.
Dass daraus eine tiefe Verachtung der Politiker vor dem Volk spricht, stört allerdings keinen. Denn die Wähler verachten ihre Politiker ebenfalls mit Leidenschaft. Und wenn ich schon nicht verstehe, was sie deshalb aus Protest wählen werden – den Grund dafür verstehe ich nach diesem Sommer doch. Und das ist auch der Grund, warum es höchste Zeit war, hier auf ZiB21 wieder weiter zu machen. Es gehört zumindest darüber geschrieben.