Irgendwie logisch, dass gerade in Deutschland große Zweifel an Street View herrschen, lässt sich auch mit dem historischen Erbe der NS-Zeit erklären, als Überwachung, Bespitzelung und Vernaderung Teil eines tödlichen Systems waren. Eine Methode, die dann nach der Teilung in Ost- und Westdeutschland in der DDR unter anderen politischen Vorzeichen fortgeführt wurde. Und klar, im Zusammenhang mit der Geschichte des ehemaligen Ostblocks ist wohl auch die prinzipielle Ablehnung von Googles Street View in Tschechien zu sehen, wo es den Dienst wegen zu tiefer Eingriffe in die Privatsphäre nicht geben wird.
Trotzdem bleibt diese reflexartige Ablehnung Googles befremdlich. Vor allem, weil die politischen Eliten weitaus weniger Ehrgeiz zeigen, wenn es um Kritik an Initiativen wie der Vorratsdatenspeicherung oder dem ACTA-Abkommen geht.
Die Diskussion darüber ist leider ja auch recht abstrakt und auf kein klar zu benennendes Feindbild zu reduzieren – da kommt einem die „Datenkrake“ natürlich sehr gelegen. Wohlmeinende Aktivisten aus der Nerdkultur ziehen zwar schon seit geraumer Zeit dagegen zu Felde, doch sie stehen wie mit manch anderen Anliegen (etwa der Neudefinition des Urheber- und Verwertungsrechts) alleine da, weil Eliten und Gesetzgebung schon lange den Anschluss an technische Entwicklungen verloren haben – und damit auch an gesellschaftliche Realitäten.
So beschleicht einen auch der Verdacht, dass die prinzipielle Ablehnung Googles zwar selten fundiert ist, aber dafür umso leichter von der Zunge geht. So wie etwa in einem Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid im Standard, in denen sie diverse Ängste schürt: „Big Brother ist Realität“, titelt sie.
Ich weiß zwar nicht, welch böse Absichten Google wirklich hegt, wenn Straßenzüge und Häuserfronten fotografiert werden. Aber ich gehe davon aus, dass Einbrecher gerne dann kommen, wenn niemand zuhause ist – und das lässt sich an Monate alten Fotos in Street View schwerlich erkennen. Ich weiß, dass Google entgegen der Darstellung im Text nicht in Häuser hinein fotografiert. Es ist Fakt, dass Straßenzüge und Häuserfassaden keine privaten Daten sind, sondern öffentliche. Und es gibt daher zumindest für mich keinen Grund zum Fürchten, denn wer wie wir täglich Datenspuren hinterlässt, muss auch darmit rechnen, dass Anwendungen gebaut werden, um diese Datenspuren sinnvoll zu nutzen. Und bisher ist mir noch keine Google-Anwendung untergekommen, die meine Privatsphäre verletzt hätte.
Ja, ich gebe es gleich zu, ich mag viele Dienste von Google, weil sie mir das Leben erleichtern – insbesondere auch Street View und Google Maps.
Im Übrigen habe ich letztens via Google Maps mein Elternhaus in Oberösterreich aus der Luft betrachtet. Das Bildmaterial dafür stammt vom Geoimage Datenverbund. Dort verweist das Impressum auf das das Land-, forst- und wasserwirtschaftliche Rechenzentrum (LFRZ), dem man durchaus eine gewisse geschäftliche Nähe zu diesem Ministerium nachsagen könnte. Oder wie in dieser Presseaussendung zum 40jährigen Jubiläum des LFRZ formuliert: „Das LFRZ – gegründet 1968 auf Initiative des damaligen Landwirtschaftsministers Dr. Schleinzer – entwickelt sich zu einem maßgeblichen IT-Dienstleister für die öffentliche Verwaltung, sowohl für Bundesministerien als auch für Länder und Gemeinden.“
Würden meine Eltern also die weiter oben erwähnte Angst vor Einbrechern teilen, die ihre Ziele mit Google-Diensten ausspionieren, könnte ich ihnen zumindest raten, bei wem sie sich wegen dieser Verletzung ihrer Privatsphäre beschweren können. Sie müssten dafür nicht einmal nach Kalifornien reisen.