Mathias Döpfner, heute ausnahmsweise unscharf im Hintergrund. Foto: Eirik Solheim, Lizenz: CC 2.0 BY-SA

Was wäre die Verlagswelt ohne Mathias Döpfner. Als Vorstandsvorsitzender der deutschen Axel Springer AG ist er ein gewichtiger Player in der internationale Verlagswelt. Und als streitbarer Geist erklärt er gerne, dass es sich für Bierproduzenten nicht auszahlt, wenn Leute in den Supermarkt gehen und sich die Dosen einfach nehmen, nichts dafür bezahlen und dann auch noch ungestraft davon kommen.

Döpfner schätzt abseitige Metaphern, wenn er über seine Branche spricht, denn seine Branche wird von solchen Bierdieben gehörig unter Druck gesetzt. Dass Journalismus kein Bier ist, ist in diesem Zusammenhang egal, denn für Döpfner steht fest: Wenn das so weitergeht mit den Bierdieben, ist Journalismus nicht mehr das Bier seines Verlags, weil der dann kein Geld mehr dafür hat, anständigen Journalismus zu finanzieren.

Zugegeben, ich argumentiere verworren, aber das passiert, wenn man sich nicht von den abseitigen Metaphern anderer lösen kann. Werden wir also ein wenig klarer, zum Beispiel so wie das Handelsblatt, das vor zwei Tagen mit fast spürbarer Erleichterung folgenden Titel formulierte:

»Das Ende der Gratiskultur im Internet ist gekommen«

Und weiter hinten im Text fand sich dann folgender Absatz, den ich nur in seiner Vollständigkeit zu zitieren wage, weil das Leistungsschutzrecht für Verlage, das noch weiter hinten im Text propagiert wird, derzeit noch frommer Wunsch ist.

»Spät, aber nicht zu spät räumt die Medienindustrie ihren Jahrhundertirrtum ein. Die ersten Verlagshäuser, vorneweg das Imperium von Rupert Murdoch und in Deutschland der Axel-Springer Verlag, steuern kraftvoll um. „Die Phase der kindlichen Begeisterung für die neue Technologie rund um das Internet geht erkennbar zu Ende“, sagte Mathias Döpfner, Chef von Europas größtem Zeitungsverlag, im Handelsblatt-Interview. Eine neue Phase beginne, die an die Prinzipien der Vor-Internet-Welt anknüpfe: gutes Geld für guten Journalismus. Döpfner spricht von der „Rückkehr zur Normalität“.«

„Jahrhundertirrtum“, „kraftvoll“, „neue Phase“, „gutes Geld“, „guter Journalismus“, ja „Rückkehr zur Normalität“ gar? Da schreiben Bloggerfuzzis wie ich Jahr und Tag vom Untergang der Medienwelt, wie wir sie kennen, und dann kommen große alte Männer wie Rupert aus Melbourne und mittelalte wie Mathias aus Bonn und sägen: Ätsch, ihr Bloggerfuzzis. Jetzt habt ihr uns lang genug beklaut. Jetzt gibt’s wieder Journalismus, Journalismus und Journalismus. Die Welt giert richtiggehend nach Journalismus, den sie bezahlen darf. Und ihr Bloggerfuzzis wartet bloß ab, bis wir euch mit diesem Leistungsschutzrecht endlich in Ketten legen (oder euch sensationelle Verträge als Journalisten anbieten, denn mit unseren neuen Bezahlangeboten im Internet werden wir reich, reich und noch einmal reich).

Auch hier zugegeben: Ich halte eigentlich nichts von Journalismus- versus Blogger-Grabenkämpfen. Doch vor allem nehme ich die von Döpfner angefachte Euphorie der Handelsblatt-Redaktion nicht ganz ernst. Weil ich es nicht mehr ertrage, wie sich alle als Kämpfer um den guten und wahren Journalismus inszenieren, der nun einmal Geld brauche, das durch bezahlten Content eingenommen wird.

Erstens, weil Konsumenten schon bisher immer nur für Vertrieb und Trägermedium bezahlt haben, der Großteil der Content-Produktion aber durch Werbung finanziert war. Da könnten einem beim Blick auf durchschnittliche Nachrichtenseiten durchaus Parallelen auffallen (und für weitere Schwächen in der Argumentation der Döpfner-Fraktion sei hier einfach dieser Text von Marcel Weiss empfohlen: Döpfner und Handelsblatt: Der Aufstieg der Konkurrenz-Kultur)

Und zweitens weil der so genannte „gute Journalismus“ einfach zu gerne als Todschlag-Argument vorgeschoben wird. Nicht nur von Verlegern wie Döpfner, aber wer die Bild-Zeitung in seinem Haus hat, fällt damit natürlich besonders auf.

Ich halte zum Beispiel die Arbeit von Seiten wie dietiwag.org aus Tirol für guten Journalismus, wage aber zu bezweifeln, dass dort innerhalb der angeblich dafür zwingend notwendigen finanziellen Strukturen einer gut ausgestatteten Redaktion gearbeitet wird, um überhaupt passieren zu können.

Und ich halte die Arbeit von großen Zeitungen, selbst jenen, die sich selbstgefällig Qualitätszeitungen nennen, nicht zwingend für guten Journalismus, bloß weil sie solche Strukturen bieten.

Weil Verleger sich meistens einen Dreck um Journalismus (und damit verbundene Instinkte wie Neugierde und Hartnäckigkeit) scheren, sondern um Renditen. Das ist zwar ihr gutes Recht als Unternehmer, und es ist sogar verständlich, dass sie sich über die Online-Ära ärgern, weil die nur mit großen Mühen die sensationellen Renditen aus der Prä-Web-Ära-erreicht, doch sie sollen endlich aufhören, den Journalismus vorzuschieben, wenn sie Umsatzsteigerungen, Reichweitensteigerungen und sonst was meinen.

Journalismus war noch nie ein Geschäft, sondern höchstens eine Profession und für einige wenige eine Berufung. Und wer zu etwas berufen ist, braucht dazu keinen Beruf, sondern tut das so oder so. Innerhalb von Verlagsstrukturen, wenn es ein paar glückliche Zufälle zulassen, und außerhalb, wenn es eben nicht so ist.

Heute las ich in diesem Zusammenhang übrigens auch, dass die Axel Springer AG einen großen Anteil am Portal-Betreiber Sohomint übernommen hat. Sohomint könnte man auch als Betreiber von Content-Farmen bezeichnen, eine davon ist MisterInfo.com. Dort finden sich suchmaschinenoptimierte Texte zu Themen, nach denen Menschen gerade gerne suchen. Texte mit Titeln wie „Wer jeden Tag frisches Brot auf dem Teller haben möchte, der ist heute schon lange nicht mehr nur auf die Tage eingeschränkt, an denen der Bäcker um die Ecke offen hat.“

Ja, Verleger wie Mathias Döpfner gehen also davon aus, dass sich mit Content Farmen voller solcher Artikel Geld verdienen lässt. Und sie meinen auch genau das, wenn sie Begriffe wie „neue Phase“ und „guten Journalismus“ in einem Atemzug nennen.