Texas, 1962. Wann war Autofahren eigentlich lustig? Foto: Texas Freeways, Lizenz: Public Domain

Die Vergötterung des Automobils ist nicht nur vermessen. Sie beruht auch auf drei fatalen historischen Irrtümern. Weg damit!

Autofahrer fühlen sich also als Menschen zweiter Klasse und fürchten sich vor den Grünen, lese ich drüben im Standard. Das ist auch überraschend, weil einem viele Indikatoren in den Kopf kommen könnten, um Rudel zu bilden – aber Autofahren? Eine Schicksalsgemeinschaft mit dem PS-geilen Dodel von nebenan, der mit seinem auf hässlich getunten Dodelauto prinzipiell so lautstark den Parkplatz verlässt, wie es bloß Dodel können?

Das kann einfach nicht mein Rudel sein.

Das muss Blödsinn sein, so wie vieles, was in den hunderten Postings unter dem Standard-Text erzählt wird, der die Ängste der autofahrenden Wiener vor eine rot-grünen Stadtregierung erklärt.

Fest steht jedenfalls, dass man nicht über Autofahren als Problem für die Stadt und damit die Gesellschaft reden kann, ohne dafür hasserfüllte Reaktionen zu ernten. Ganz Wien soll Radweg werden, geifern sie dann. Parkplätze werden durch Radständer ersetzt. Und überhaupt und sowieso ist das alles ein Skandal, weil es jetzt schon teuer genug ist, allein in seinem Auto durch Stadt und Land zu kutschieren und dabei nicht zu erkennen, dass eine Auslastung von gerade einmal 25 Prozent (bei vier Sitzen gerechnet) eigentlich skandalös ist.

Ja, es ist teuer. Und ja, das war letztlich der Grund, warum mein Auto vor ein paar Jahren für ein paar Hunderter beim Mechaniker blieb anstatt es für ein paar Hunderter wieder flott machen zu lassen. Und ja, es ist nicht teuer genug. Es ist nicht unkomfortabel genug. Es ist nicht stigmatisiert genug, damit endlich Vernunft einkehrt. Vernunft in Diskussionen, die das Statussymbol Auto relativieren helfen. Vernunft, um mit ein paar historisch gewachsenen Irrtümern aufzuräumen, die mir bei der Lektüre der Standard-Postings wieder in den Sinn gekommen sind.

Irrtum 1: Das Menschenrecht auf billiges Benzin

Verstehen wir zum Nachdenken die Autofahrer also als jene Schicksalsgemeinschaft, als die sie sich so gerne verstehen und als die sie von ihren Interessensvertretungen auch gehandelt werden. Autofahrer fühlen sich geschröpft. Benzin wird teurer, weil Abgaben steigen und weil an den internationalen Umschlagplätzen für Laien völlig undurchsichtig mit Rohöl gehandelt wird.

Gleichzeitig bleibt ihre Nachfrage gleich, denn sie fühlen sich auf ihr Fahrzeug angewiesen, weil sie Wege zurücklegen, die sie anders nicht bewältigen können. Diese Wege sind das Resultat eines Lebensstils, der von billigem Benzin angetrieben war. Es war ein paar Jahrzehnte lang schlichtweg egal, wie weit Arbeit und Wohnung voneinander entfernt waren, denn es gab ja ein Auto dafür. Es war der Siegeszug des Systems der US-amerikanischen Suburbs. Mein Haus, mein Auto, mein Leben – alles untrennbar miteinander verbunden.

Dass diese Wege über die Jahre immer teurer wurden, ist natürlich ein Problem für die Betroffenen. Doch es ist nicht ungerecht, sondern nur der Lauf der Dinge. „Peak Oil“ heiß das Schlagwort der Stunde. Es wird morgen weniger Rohöl geben als heute, und bei gleich bleibender Nachfrage steigen daher die Preise.

Mitglieder der Schicksalsgemeinschaft fühlen sich daher betrogen, weil der Markt ihnen den Lifestyle raubt. Doch Lifestyle ist Luxus und kein Menschenrecht – und daher kann auch dessen Treibstoff keines sein.

Irrtum 2: Das Auto befreit das Individuum

Ja eh, das Auto ist höchstes Symbol für grenzenlose Freiheit. Das habe ich auch schon ungezählte Male im Kino und in der Werbung gesehen. Trotzdem ist das Blödsinn: Autofahren befreit nicht, sondern macht unfrei. Es schafft finanzielle Abhängigkeiten. Es schafft Zwangssituationen, Staus, Parkplatznot, Aggression. Und es schränkt gleichzeitig andere in ihrer Freiheit ein, weil Autos schlicht mehr Platz brauchen als Menschen. Und weil sie kräftiger gebaut sind, bekommen sie ihn auch.

Die Freiheit, die im Auto steckt, ist also eine Illusion, die von Generation zu Generation als männlich besetzte Wahrheit weiter gegeben wird. Dieser Irrtum führt dazu, dass draußen am Land das eigene Auto noch immer als Teil des Erwachsenwerdens gesehen wird, als Schritt in die Selbstständigkeit. Und die Schulden, die einem daraus erwachsen, wenn sich das erste Auto um den nächsten Baum wickelt, gehören zur Biografie.

Irrtum 3: Autofahren ist Sport

Gut, soll sein, dass dieser Vettel ein Held ist. In Wahrheit kann er aber bloß schnell mit einem Auto fahren, ohne dabei umzukommen. Das ist schön für ihn, aber kein Lebensziel.

Der Grund allen Übels in den verfahrenen Diskussionen ums Autofahren ist nicht zuletzt sein positiv sportlich-männliches Image. Und der Clou daran ist, dass den Sport Autofahren sogar übergewichtige Kettenraucher ausüben können.

Soll der es sich bieten lassen, dass öffentlicher Verkehr oder gar Radfahrer bevorzugt werden? Soll der gar seine Illusion aufgeben, dass Passantinnen sich wohlig erregt nach ihm umdrehen, weil er so toll runterschalten kann? Soll der nach Jahrzehnten der Hege und Pflege seines erbärmlichen Weltbildes plötzlich der Realität ins Auge blicken?

Er wird wohl müssen. Nur weil die Wogen hochgehen, wenn Autofahrer sich als Menschen zweiter Klasse begreifen, heißt das noch lange nicht, dass die Welt deshalb stehen bleibt. Die Welt wird ohne massenhaften Individualverkehr auskommen müssen. Der Übergang wird für manche hart und schmerzhaft sein, doch in Wahrheit bereitet er den Weg für gesellschaftlichen Fortschritt. Fortschritt ohne Benzin – das hatten wir eh schon lange nicht mehr.