Ein Fall fürs Museum: Bildungspolitik in Österreich, Foto: Flominator, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die ÖVP schreibt Grundsatzpapierln zur Bildungsreform und verhindert die Gesamtschule. Willkommen im Bildungs-Museum Österreich.

Ich komme vom Land, aus Oberösterreich, aus einem Dorf im Steyrtal. Die nächste größere Stadt war 17 Kilometer entfernt. Schon während der Volksschule war klar, wohin mich meine weitere Schulkarriere führen sollte: nicht täglich 17 Kilometer nach Steyr und retour, sondern ein paar hundert Meter in die Hauptschule des Ortes – und das, obwohl ich als Lehrerkind eigentlich zum Genie und Höherem berufen gewesen wäre. Der Vollständigkeit halber: Aus meiner Volksschulklasse gingen nur zwei oder drei weiter ins Gymnasium.

Ich weiß nicht, wie es heute um diese Hauptschule bestellt ist. Ich habe jedenfalls vor 25 Jahren dort Dinge gelernt, die ich später nach meinem Wechsel in die Gymnasium-Oberstufe gut brauchen konnte. Ich konnte besser Englisch als viele. Ich war besser in Mathematik als viele. Ich war besser in Deutsch. Und ich war noch immer kein Wunderkind, sondern kam bloß aus einer soliden Schule, die mir eine Bildungs-Basis verschafft hatte, die mich recht sicher zur Matura geleitete. Wobei selbstverständlich die Einschränkung gilt: Gegen Pubertät, Nikotin und Alkohol hilft auch die beste Bildung nicht.

Warum ich diese Geschichte erzähle? Weil sie von einer Schule erzählt, die in meiner Erinnerung schon vor vielen Jahren dem entsprach, was ich unter einer Gesamtschule für alle verstehe. Wir wurden gefördert und gefordert, viele von uns wechselten mit 15 in höhere Schulen, keiner hatte dort mit nennenswerten Problemen zu kämpfen.

Und das alles geschah innerhalb einer Schüler-Struktur, die schon damals durchaus das Zeug gehabt hätte, meine Schule zur Problemschule zu machen. Es gab durch die Nähe des Ortes zu einer industriell geprägten Stadt wie Steyr viele Migrantenkinder. Und die Buben und Mädel aus dem Landeskinderheim ein paar Kilometer weiter gingen auch in unsere Klassen.

Ich behaupte: Mit dem Modell dieser Hauptschule, mit ihrem vorweg genommenen Gesamtschul-Ansatz wäre jeder PISA-Test recht solide ausgefallen. Und so lange die ÖVP für ihr in den lahmen Tagen nach Neujahr platziertes Bildungsmodell nur zaghaften Widerspruch erntet, wird jeder PISA-Test weiter schlecht ausfallen.

Das hat vor allem damit zu tun, dass dieser „Bildungsweg für Österreich“ eine Sammlung von Plattitüden ist, die sich in Auszügen übersetzen lässt wie folgt:

  • „Gymnasium und die Mittelschule sind zwei gleichwertige Säulen für die 10- bis 14-Jährigen“
    Soll heißen: Wir pfeifen auf die Gesamtschule und zementieren die sozialen Ungerechtigkeiten beim Zugang zu Bildung.
  • „Flächendeckende Ausweitung der Neuen Mittelschule bei Beibehaltung des Gymnasiums“
    Soll heißen: Wir benennen die Hauptschulen einfach um und hoffen, dass die Zwei-Klassen-Bildung, die sich in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet hat, moderner daher kommt, weil sie einen anderen Namen trägt.
  • „Durch einen gemeinsamen Fächerkanon und Bildungsstandards wird die volle Durchlässigkeit zwischen der Mittelschule und dem Gymnasium Unterstufe gewährleistet“
    Was zur Frage führt: Wozu Durchlässigkeit zwischen „zwei Säulen“, die – wie wir oben lernten – ohnehin „gleichwertig“ sind? Warum zwei getrennte Systeme, die Gleiches leisten?

Ich weiß es nicht. Aber immerhin scheint es die amtierende Unterrichtsministerin Claudia Schmied zu wissen, die in den sechs von der ÖVP verfassten A4-Seiten „sehr positive Elemente“ zu erkennen vermag.

Angeblich hätte 2011 ja das Jahr der „das Jahr der Entscheidung für Bildungsfragen“ werden sollen. Bei diesem latenten Hang zum großkoalitionären Frieden scheinen sie schon jetzt gefallen zu sein. Im Bildungs-Museum Österreich bleibt alles wie es war. Und auch mir bleibt bloß eine Erinnerung.