Unsere Kollegen von The European haben um eine österreichische Perspektive zur Debatte um Karl-Theodor zu Guttenberg gebeten. Dabei regt uns so einer gar nicht auf. Ganz im Gegenteil: Wer aus purem Eigennutz betrügt und trotzdem Wert auf Titel legt, ist hier in bester Gesellschaft.

Liebe Deutsche, ich verstehe diese Aufregung nicht. Hat er halt ein bisschen abgeschrieben. Hat er halt einen Blödsinn gemacht. Hat er halt was zum Beichten. Aber muss man ihn deshalb gleich so unter Beschuss nehmen und ihm mit Moral, Anstand und sonstigen Tugenden kommen? Ja hat er nicht doch auch noch seine guten Seiten, euer Karl-Theodor zu Guttenberg?

Ein Fescher ist er zum Beispiel und ein Beliebter kann er daher wieder werden. Und kann man in diesen Tagen nicht auch wieder einmal betonen, wie toll er in dieser Uniform vor dem Kampfjet ausgesehen hat? Wie der Tom Cruise, ganz einmalig.

Aber ich schweife ab. Eigentlich wollte ich mich hier an einen Satz erinnern, mit dem die österreichische Schmalspurvariante eines feschen Politikers mit doppeltem Vornamen einmal in der Illustrierten „Bunte“ zitiert wurde. Als die hiesige Staatsanwaltschaft im Jahr 2009 gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser wegen Amtsmissbrauchs und Geheimnisverrat ermittelte, interpretierte er das dort als „versuchten Rufmord“ und schloss daran zwei Thesen fast prophetischen Ausmaßes: Vielleicht hätten die Leute bloß Angst, dass er zurück in die Politik käme (Ja, haben sie hoffentlich). Und seinem Kollegen Karl-Theodor zu Guttenberg, der ihm in seinem kometenhaften Aufstieg gleiche, richtete er aus, er möge bitte aufpassen, dass nicht auch ihm die Neider mit einem solchen Rufmord in die Quere kämen.

Hätte euer Verteidigungsminister also bloß schon damals auf den gut gemeinten Rat unseres zu schönen, zu jungen und zu intelligenten ehemaligen Finanzministers gehört, wäre er vielleicht besser auf dieses Sperrfeuer der Gemeinheiten vorbereitet gewesen. Ein Betrüger soll er sein und ein Schänder der Werte des Konservativismus – das kann einem schon ans Gemüt gehen.

Und noch dazu in einer Gesellschaft wie der euren, die so viel Wert auf Moral, Anstand und Korrektheit legt. Die immer gleich für alles die Verantwortung übernimmt. Die nicht um die Segnungen der Kategorie „eh wurscht“ weiß, die zwischen Richtig und Falsch genug Spielraum für Gemeinheiten aller Art lässt. Die einfach so verdammt deutsch ist, dass wir Österreicher die Aufregung um euren Guttenberg nicht verstehen können.

Was ist denn schon ein falscher Doktor gegen einen echten Doktor, der nicht einmal einen Blinddarm operieren kann? Ein falscher Doktor ist wenigstens nicht jahrelang auf Kosten des Steuerzahlers durch Orchideenfächer gebummelt, sondern hat ein wenig abgekürzt. Ein falscher Doktor ist billiger. Und ein überführter falscher Doktor ist einer, der sich nichts auf seine Bildung einbildet, denn solche Wichtigtuer haben wir wahrlich schon genug.

Eine Win-Win-Situation, würde ich daher sagen. Nehmen wir sofort, den Herren zu Guttenberg. Wer aus purem Eigennutz lügt, betrügt und trotzdem Wert auf Titel legt, ist hier in Wien bestens aufgehoben. Hier haben alle eine supersaubere Weste. Hier wird die Gewalt neigende Gaddafi-Sippe jahrelang hofiert. Und hier gilt auch einer wie Udo Proksch noch immer als viel zu früh verstorbener Rockstar.

Und im Gegenzug könnt ihr unseren Karl-Heinz Grasser haben. Der hat seine Ambitionen auf höhere akademische Weihen bereits vor Jahren ad acta gelegt. Und der schreibt auch nichts ab – außer vielleicht, wenn es sich um Abschreibposten im mehrstelligen Bereich handelt. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Dieser Text erscheint auch im Debattenportal The European.

Foto: Bundeswehr, Lizenz: CC BY-ND 2.0