Die vielleicht tragischste Figur aus dem Celebrity-Zirkus jüngerer Zeit möchte einmal mehr relevanten Pop machen. Das wird nichts.

Ein Text über Britney Spears lässt sich am trefflichsten mit einer Plattitüde eröffnen. Die hier verwendete geht so: Wo ein Wille, da ein Weg. Also: Mein Wille war es, mir das neue Album von Britney Spears in voller Länge und ohne Gnade durchzuhören. Mein Ziel war es, zu verstehen, warum an manchen Orten davon die Rede ist, es sei nicht einmal so schlecht und vielleicht sogar gut. Diesen Zugang zum Werk wollte ich erfahren. Diesen Weg wollte ich beschreiten.

Es gibt zwar sicher wichtigere Dinge, als seine Zeit mit Britney Spears zu vergeuden, aber wer sich wie ich mit der gewagten Ankündigung, hier nicht zu arbeiten, sondern bloß zu schreiben, schon ausgiebig aus dem Fenster gelehnt hat hat, muss auch einmal zeigen wie das geht. Zeitvergeudung öffentlich dokumentieren und keinen Cent dafür kriegen – der Rock’n’Roll des Bloggers, hier kriegen Sie ihn.

Und wo wir schon beim Rock’n’Roll sind: Den hat Britney Spears auf ihrem „Femme Fatale“ betitelten neuen Werke selbstverständlich ausgelassen. Schließlich will sie irgendwann einmal ja wieder vor Recht und Gesetz als zurechnungsfähig gelten. „Femme Fatale“ – das ist hier also bloß ein weiteres leeres Versprechen, dass aus der Turnsaal-Lolita von früher eine Turnsaalbraut von heute geworden ist.

Das versucht sie zum Beispiel mit Songzeilen, die davon künden, dass sie sich gerne von Männern mit deren Benzin betanken lassen möchte. Hübsche Metapher, ich weiß, aber vielleicht habe ich da auch was falsch verstanden, denn um ihr das Piepsen der Turnsaal-Lolita auszutreiben, wurde Frau Spears’ Stimme flächendeckend mit allerlei Schabernack entfremdet, den Clubmusik-Produzenten für posh halten. Sie piepst nun so verzerrt, dass sich leicht Verhörer einschleichen können. Alex Petridis vom Guardian ist es ja auch passiert und nun muss er sich von Fans erklären lassen, dass er sich einen „thug“ als „fuck“ lustig gehört hat.

Aber ehe ich mir Frau Spears weiterhin lustig höre: Ich glaube ja zu ahnen, warum manche Leute wieder und wieder versuchen, mehr in dieser Frau zu erkennen, als sie künstlerisch zu leisten vermag. Sie hat einfach eine verdammt gute Geschichte, die nach gebrochenen Liedern schreit, die dieses völlig bescheuerte Leben irgendwie spiegeln. Sie könnte eine authentische Pop-Persönlichkeit sein.

Nur setzte das eine eigenständige Künstlerpersönlichkeit voraus, und kein Produkt, das seit seinem Markteintritt mit „Hit Me Baby One More Time“ im Jahre 1998 eine Frau sein muss, die wahnsinnig gerne Sex mit unzähligen Männern hätte. Ironie der Geschichte bleibt nicht nur, dass es dann doch nur Justin Timberlake und ein paar Proleten wurden, sondern auch der Umstand, dass Frau Spears auch im Jahr 2011 noch ununterbrochen davon stöhnt, was sie nicht alles mit mir anstellt, wenn sie mich nur in die Finger kriegt, mich kleines Würschtl von Tankwart.

Diese vertrottelte Lyrik ist es letztendlich, die einem die nach allen Regeln der Stangenkunst auf Gegenwart getrimmte Bummtschack-Tanzmusik dieses Album endgültig verleidet. Und die zum hoffentlich letzten Mal zur Erkenntnis führt, dass aus Britney Spears keine Heldin der Popkultur mehr wird.

Und weil ich meinen heutigen Rock’n’Roll des Bloggers mit einer Plattitüde begonnen habe, möchte ich ihn auch mit einer beenden: „Femme Fatale“ ist sehr gut gemeint. Und bei allem guten Willen bedeutet das leider: Es ist schlecht.