Da stehen wir wieder also einmal wie Anfänger da, die nicht einmal zu Korruption internationalen Formats fähig sind. In radebrechendem Englisch erzählt Ernst Strasser, ehemaliger Delegationsleiter der Volkspartei im Europaparlament, vermeintlichen Kunden von seinen Lobbying-Geschäften und davon, dass er die Arbeit des Parlaments gegen ein Honorar von 100.000 Euro gerne beeinflussen könne, denn wie sagt Strasser so schön: If it’s possible to be under the undercover it’s much more better.

Und da lachen wir also wieder, weil Ernst Strasser doch keinen vermeintlichen Kunden gegenüber saß, sondern Reportern der britischen Zeitung Sunday Times, die sein mangelhaftes Englisch mit versteckter Kamera dokumentierten und es in der Folge gar wagten, dieses Video zu veröffentlichen, um ihn via „Menschenhatz“ (Strasser) aus dem Amt zu jagen. Tja, so ist der Ernst des Lebens – over the undercover it’s much more worse.

Und da forschen wir also wieder nach den Ursachen für dieses Übel, das in den vergangenen Jahren virulent geworden ist: den Hang zur Korrupution, zur Unvereinbarkeit und zur persönlichen Bereicherung, wenn das Amt es ermöglicht und die Gelegenheit gut ist. War das schon immer so? Haben wir uns bloß daran gewöhnt? Und vor allem: Wer trägt die Schuld daran?

Wer zur Ursachenforschung bei der österreichischen Mentalität ansetzt, wird rasch fündig. Wo anderswo die Grenzen zwischen Recht und Unrecht klar definiert und exekutiert werden, existiert hier eine unausgesprochene Übereinkunft, die vieles vom Tisch fegt, weil es einfach wurscht ist. Schwarzarbeit? Wurscht. Besoffen Autofahren? Wurscht. Korrupte Politiker? Wurscht.

Das mag man als schrulliges Lokalkolorit abtun, aber wie der Fall Ernst Strasser zeigt, hat es weitreichende Folgen. Wenn nur genug Leute daran glauben, dass ohnehin alles wurscht ist, zersetzt es irgendwann die letzten moralischen Standards.

In Österreich lässt sich der Zeitpunkt dieses Umbruchs sogar mit einem Datum versehen: Am 4. Februar 2000 wurde Wolfgang Schüssel erster ÖVP-Bundeskanzler seit 1970, ermöglicht hatte das eine Koalition mit der FPÖ Jörg Haiders. Schüssel wollte eine Wenderegierung – und er fand reichlich Wendehälse für sein Team, um gehörig umzurühren. Karl-Heinz Grasser zum Beispiel und den hier bereits ausgiebig erwähnten Ernst Strasser.

Die darauf folgenden Nullerjahre – das zeigt die Geschichte – waren für die politische Kultur in Österreich verheerend. Gaunereien, Freunderlwirtschaft, zugeschanzte Millionen, undurchsichtige Firmengeflechte – und alles getragen von einer atemberaubenden Verhaberung zwischen Politik, Wirtschaft und Medien, die sich bis heute nicht zerschlagen ließ, weil Lobbyismus in eigener Sache für alle Beteiligten am besten ist. Und weil es dem Wahlvolk glücklicherweise wurscht ist.

Und weil es vom Darüberreden ja schließlich auch nicht besser wird. Altkanzler Wolfgang Schüssel zum Beispiel hat sich noch nie offiziell dazu geäußert, welches Sittenbild sich aus den Jahren unter seiner Regierung zeichnen lässt. Was sein ehemaliger Innenminister weiß, weiß er schon längst: If it’s possible to be under the undercover it’s much more better.

Dieser Text erscheint auch im Debattenportal The European.