Ob es nun in Spanien oder Hamburg passiert ist – egal. Ob auf ihr Bio drauf steht oder nicht – auch egal. Ob es die Gurken waren oder vielleicht doch was anderes – nebensächlich. Verantwortung zu übernehmen ist hier ja in der Tat kompliziert. Alle haben supersauber gearbeitet, keine Fehler gemacht, tipptopp Hygiene, keine Ahnung, wie das passieren konnte. Und so sterben Menschen an einem wenige Mikrometer messenden Darmbakterium aus Schlachtvieh, das auf den Namen EHEC hört, und keiner versteht warum.

Dabei ist die Antwort einfach: Wir haben es so gewollt. Wir haben den Bezug zu unserer Nahrung verloren. Sie kommt gewaschen, geschält und geschnitten ins Haus. Sie ist kein Rohprodukt mehr, sondern praktisch und convenient. Und wir haben uns dazu entschieden, billig – oder im Idealfall: noch billiger – zu essen.

Wir haben den Bezug zu unserer Nahrung verloren

Beides funktioniert nur im Rahmen einer industriellen Verwertungskette mit langen Reisewegen und komplexer Logistik. Im Supermarkt liegen Zwiebel aus Neuseeland. Das vorgeschnittene Suppengemüse kommt aus Ägypten und Spanien. Und der Speck aus Tirol war irgendwann einmal ein Schwein, das aus Kostengründen in China geboren wurde.

Man hat mit diesen absurden Auswüchsen unseres Lifestyle leben gelernt, man hat sich vielleicht bei Dokumentarfilmen wie Erwin Wagenhofers „We Feed The World“ darüber echauffiert, und man hat dann doch wieder an einem verschneiten Jännertag irgendwo eine frische Erdbeere genascht.

Wegen dieser Sorglosigkeit wirkt es dann auch immer wie eine Seuche aus vergangenen Zeiten, wenn in der industriellen Verwertungskette Fehler passieren. Was, es gibt ungesunden Dreck da draußen. Wie, Gemüse gehört gewaschen? Echt, eine Gurke kann auch irgendwo wachsen, wo es vielleicht nicht sauber ist? Ein Skandal …

Hauptsache billig

Nahrung ist über die Jahre mehr und mehr zu einer gesichts- und geschichtslosen Massenware geworden. Und Nahrung ist damit nicht nur immer und überall verfügbar geworden, sondern auch völlig unwichtig. Hauptsache billig produziert, die Umstände interessieren da nicht näher – trotz aller Slow Food-Bewegungen und Bioboom in gentrifizierten Stadtteilen.

Wozu diesen Zugang zur Nahrung auch ändern? Wenn das Recht darauf kostengünstig gestillt scheint, können wir ungleich wichtigere Rechte für uns beanspruchen. Das kann das Recht auf Fernreisen sein. Oder das auf die unbegrenzte Mobilität, die wir mit dem Besitz eines Autos verbinden, und auf die wir unser Leben täglich abstimmen.

Dass hier schleichend die Verhältnisse unserer Existenz aus den Fugen geraten sind, zeigt sich nur nebenbei. Zum Beispiel, wenn ein Darmbakterium aus Schlachtvieh in Gurken aus Spanien landet.

Dieser Text erscheint auch im Debattenportal The European.

Foto: twicepix, Lizenz: CC BY-SA 2.0