Zugegeben, ich hatte ein wenig Angst vor diesem Album. Immerhin ist Beyoncé Knowles, die sich als Künstlerin schlicht beim Vornamen nennt, der Stimmbandakrobatik und deren fiesem Bruder, dem Walgesang, nicht abgeneigt. Dazu kommt, dass sie heuer im September 30 wird und sich seit ein paar Monaten endgültig nicht mehr von ihrem Eislaufdaddy managen lässt, der sie zu dem gemacht hat, was sie ist: Eine Hitmaschine mit himmlischer Stimme. Eine Frau, der von Journalisten, die wenig nachdenken (also vielen), schon vor ihrem ersten legalen Drink erzählt worden ist, was für eine göttliche Diva sie bloß sei. Eine fixe Größe im US-amerikanischen Celebrity-Zirkus, denn sie ist ja auch mit Jay-Z verheiratet.

Und wenn diese Frau nun ein Album veröffentlicht, dem die Aura der Emanzipation und der großen Kunst voraus eilt, kann einem das eben Angst machen. Zu sehr hat man da die drei Stimmband-Kriegerinnen Whitney, Mariah und Celine im Ohr, die sportliche Höchstleistung mit Anmut oder gar Seele verwechseln.

Den Walgesang der Seele geopfert

Wobei Seele ein gutes Stichwort ist. Beyoncé Knowles, das muss man ihr zugute halten, hat immer die Seele gesucht und ihr daher auch irgendwann den Walgesang geopfert. Ihr „At Last“ für Michelle und Barack Obama zum Beispiel fällt damit sogar in die Kategorie Weltgeschichte.

Doch ehe ich mich hier in der Vergangenheit von Beyoncé Knowles verrenne: Ihr neues Album „4“ ist grundsolide. Die nervöse Single „Run The World (Girls)“ muss man mögen, aber selbst wenn man sie nicht mag, kann man sie immerhin als Statement zu weiblichen Selbstermächtigung hören. Der Schmalz (siehe „1+1“) kommt nicht klebrig, sondern vom Herzen. Und über allem Einsatz von Geld und Aufwand auf der Suche nach dem Hit steht das Bekenntnis zum Soul, der seit ein paar Jahren schon R&B heißt und als solcher auch Platz für Kinderzimmer-Sadomaso mit Rihanna bieten muss. Da tut es gut, wenn ihn eine der kommerziell erfolgreichsten Künstlerinnen entschlackt und zurück zur Essenz führen möchte ohne die Unterhaltung aus dem Auge zu verlieren.

Und dann noch ein bisschen Historie

Womit wir beim zweiten – und letzten – Stichwort zu Beyoncé Knowles wären. Vergangenen Sonntag spielte sie auf dem 41. Glastonbury-Festival in England. Als erste Headlinerin eines Abends, ein historischer Moment der Unterhaltungsindustrie also, und ihr Gemahl Jay-Z im Publikum lernte staunenden Auges, wie es geht, eine Bühne, die drei Tage lang den Buben mit den Gitarren gehört hatte, mit einer zünftigen Black Music-Unterhaltungs-Revue zu bespielen und zu dort auch zu bestehen.

„Sex auf zwei Beinen“, wie der Kollege Sax diesen Vorgang nennt – er hat am Ende seines Textes auch das Video dazu – ist nicht ausreichend, um diesen Auftritt zu erklären. Beyoncé ist einfach gut, in dem was sie tut. Ich habe nach den ersten Clips aus Glastonbury jedenfalls die Angst vor ihrem Album „4“ verloren. Sie war, das kann ich nach ein paar Tagen sagen, tatsächlich völlig unbegründet.

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