Beginnen wir den heutigen Exkurs mit dem Link zu einem Video, das erst unlängst jemand auf Facebook gepostet hat. Es ist das Video zu einem Song, den ich vor 15 Jahren sehr oft gehört habe. „Roses“ von dEUS, zu finden auf dem Album „In A Bar, Under The Sea“ von 1996.

dEUS aus Belgien waren damals richtig heißer Scheiß, „In A Bar, Under The Sea“ war ihr zweites Album, also jenes Werk, dem von Musikschreiberlingen gemeinhin besondere Bedeutung zugesprochen wird. Mit Fragen im Sinne von: Wohin geht die Reise? Können sie den Erwartungen gerecht werden? Und weil zu dieser Zeit noch kaum jemand Musikdateien im MP3-Format tauschte – werden sie auch genug Stück davon verkaufen?

Manche Lieder strahlen ewig

Letztere Frage ist im Rückblick am schnellsten geklärt: Ja, es waren genug, rund 250.000, wie die Wikipedia verrät. Und um die ersten beiden Fragen auch mitzunehmen: Das war bei diesem aufwühlenden Unding voll tausender Ideen, Einflüsse und Stile ein kleines Wunder. Mein 1996 wurde durch dieses Album zum dEUS-Jahr, und wie das auf Facebook gepostete Video zeigt, war ich damit wohl nicht alleine. „Das strahlt auch 2050 noch“, stand dort. Und um hier nicht sinnentstellend zu redigieren, auch noch: „Neue Platte überraschend sehr mau.“

Das kann ich allerdings so nicht stehen lassen: „Keep You Close“, so heißt das heute erschienene Werk von dEUS, ist einfach nur etwas anders, ruhiger, geschlossener. Die Konzentration, die man früher brauchte, um Tom Barman und Kollegen durch ihre Songs zu folgen, wendet die Band heute auf, um Songs zu schreiben. Diese formale Strenge macht gerade den Reiz dieser Stücke aus. „Ghosts“ oder „Constant Now“ empfangen einen wie alte Bekannte, die man schon seit Jahren kennt. Sie nehmen sich nicht mehr so wichtig wie noch vor 15 Jahren. Sie zeigen, dass man nicht alles umsetzen muss, was einem so in den Sinn kommt. Sie sind gute Erinnerungen in neuen Gewändern.

Unbedingte Relevanz in fünf Minuten

Natürlich gehe ich davon aus, dass ich „Keep You Close“ nicht mehr mit jener Akribie auswendig lernen werden wie damals „In A Bar, Under The Sea“. Keine Zeit mehr für so was. Irgendwann wird Pop einfach wurschter als er einmal war. Man hat ja schließlich mittlerweile längst das Leben, von dem man sich mit dem ausgiebigen Studium von Musik auf Tonträgern fern gehalten hat. Aber – und das ist die letzte gute Nachricht zur Klasse von 1996 – es gibt die Bands, die diese unbedingte persönliche Relevanz, die man in fünfminütigen Songs entdecken konnte, für einen konservieren. dEUS zum Beispiel.

Dass so etwas auch ganz anders kommen kann, zeigt sich dieser Tage an „The Less You Know, The Better“ von DJ Shadow. Auch der hat 1996 sein stilprägendes Werk veröffentlicht. Doch nach „Endtroducing“ gab es nur mehr Stagnation auf hohem Niveau – und heute ist von seinem damals magischen Sampling-Irrwitz bloß noch die Idee geblieben. Man könnte uninspirierte Rocknummern auch von einer Band einspielen lassen, doch wer DJ ist, setzt sie aus alter Gewohnheit eben am Notebook zusammen.

Braucht keiner, wir haben dEUS – und ich wünsche ein schönes Wochenende.

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