Austropop. Einmal muss dieses schreckliche Wort auch hier geschrieben werden, die jüngsten Ereignissen um die letzten beiden Überlebenden auf dem Planeten Austropop lassen nichts anderes zu. Sie haben eifrigen Konsumenten der Niedertrachts-Presse vergangene Woche gezeigt, wie es ausgeht, wenn der Bsuff und der Kokser einander an Schädel einschlagen. Aber bitte, wer sich zum Altern in Unwürde entschließt, soll das meinetwegen tun.
Und es hat ja auch seine guten Seiten. Es ist der hoffentlich letzte Anlass, irgendwo „Austropop“ hinzuschreiben, zum Beispiel. Die beste Gelegenheit, die Zeit endlich jenen Popkünstlern österreichischer Provenienz zu überlassen, die ihre Zeichen erkennen können – egal, ob sie nun Ja, Panik, Kreisky, Giantree oder sonstwie heißen. Und den bitte, bitte letzten Aufruf, den Überlebenden ihre Gegenwart vielleicht doch nachzusehen, und sich höchstens ihrer Vergangenheit zu erinnern. Da waren sie zwar vielleicht auch schon der Bsuff und der Kokser, aber immerhin waren sie körperlich noch in der Lage dazu – und ja: Körper und Geist sind hier durchaus als Einheit zu verstehen.
Abwehrreflexe gegen alles made in Austria
Persönlich war mir die Vergangenheit vom Bsuff und vom Kokser ja eher wurscht. Eine meiner Initiationsriten in die Welt des Pop war die EAV – da entwickelt sich später in der Pubertät ganz automatisch ein Abwehrreflex gegen alle Musik, die Pop made in Austro sein könnte. Burli, ich sag’s dir, so was hältst du nur einmal aus.
Doch es gab da auch was anderes: „Wie im Schlaf“, eine Ambros-LP aus dem Jahre 1978. Mein Bruder schenkte sie mit neben vielen anderen Schallplatten, als er seine Sammlung mit Compact Discs modernisierte, und ich noch zu wenig Geld hatte, meine eigene anzulegen. (Compact Discs? Burli, so was kauft heute auch keiner mehr). Irgendwann habe ich sie verborgt bis in alle Ewigkeit, aber ich weiß noch immer, dass sie gut war.
Die Lieder darauf waren allesamt verösterreicherte Coverversionen von Bob Dylan. Und über diesen Umweg sind wir auch endlich bei der Musikempfehlung zum heutigen Freitag angelangt. Sie hört auf den Namen „Weida foan“, stammt von Ernst Molden, Ingrid Lang und Willi Resetarits, und ist wie schon der logische Vorgänger „Foan“ voller Coverversionen, eine davon sogar ein Dylan (Für die Faktenhungrigen: Es ist „Red River Shore“, das bei Molden auf den Namen „Lobau“ hört). Dieser Dylan macht sich zwischen Radiohead, Nick Cave und Ben Harper sehr gut, und ganz nebenbei wird hier eine Qualität hörbar, die auch dem frühen Bsuff immer wieder nachgesagt worden ist.
Österreichische Mördermusik
Die, den Sound und das Liedgut der großen Vorbilder an die eigenen Lebensumstände anzupassen, an Österreich, an Wien. Die, daraus österreichische Mördermusik zu machen. Die, mit der eigenen Sozialisation und der eigenen Sprache relevant zu sein. So werden aus diesen Songs zwar tatsächlich Austro-Versionen, aber es ist Austro ohne jene Dummheit und Verlogenheit, die manche noch immer für eine große Chance halten. Es ist wahnsinnig sympathisch. Und es bietet in einer Überdosis das, was einem Bsuff und einem Kokser in fortgeschrittenem Alter fehlt: Poesie und Würde.
Play. Und schönes Wochenende.