Betty Wright. Foto: Diana Levine/Promo

Nur der Vollständigkeit halber: Ich mag mir mein Urteil über Spotify vergangene Woche vielleicht vorschnell gebildet haben, doch eine weitere Woche konnte es trotzdem nur festigen. Ich habe – journalistische Ehre, leicht gemacht – Spotify natürlich genutzt, um das heraus zu finden. Und es hat mir sogar einen kleinen, persönlichen Wunsch erfüllt.

Es hat mir „The Movie“ vorgespielt, das erste Album von Betty Wright seit zehn Jahren, produziert von Ahmir „Questlove“ Thompson, begleitet von dessen Band, The Roots. Der Weg zu dieser Musik musste bei Spotify enden, denn im iTunes-Store lag sie zwar herum, doch es war bloß der amerikanische, also Kaufen ausgeschlossen. Und Amazon verriet bloß, mir binnen vier bis sechs Wochen um ein Heidengeld eine CD schicken zu können. Download? Vergiss es!

Blieb also Spotify, das mir alle 14 Songs dieses Albums anstandslos vorspielte – und eine Erkenntnis: Ich glaube nun zu wissen, warum Spotify nur 0,0003 Cent pro abgespieltem Song an dessen Schöpfer weiter reicht. Alles anderes fließt in die Administration bescheuerter und überkommener Urheber- und Verwertungsrechte. Und wahrscheinlich war es bloß ein Fehler im Algorithmus, dass Spotify mir Lieder vorspielt, die in anderen Kanälen für österreichische Schweinsohren strengstens verboten sind. Und den zu beseitigen, kostet jetzt wieder Geld, das dann nicht an Künstler fließt.

Wir sollten mehr Soul hören

Betty Wright also. Seit zehn Jahren ohne Werk, mit 57 gerade im richtigen Alter, mit den Roots eine Begleitband, die alles spielen kann, wie sie jede Woche bei Jimmy Fallon zeigt, und sich auf Soul besonders versteht, seit sie 2008 für Al Greens „Lay It Down“ werkten. Und überhaupt sollten wir mehr Soul hören.

Wright kam in den 70er-Jahren zu Ruhm, sang in den 80er-Jahren Songs, zu denen auf den Poolpartys in der Fernsehserie „Miami Vice“ getanzt wurde und geriet danach als Solokünstlerin immer mehr ins Abseits, weil sie als Produzentin und Gesangscoach auch gut ihr Auslangen fand.

Zugegeben, an mir ist sie bisher spurlos vorüber gegangen. Aber in vernetzten Tagen wie diesen lässt sich so ein Defizit leicht ausmerzen, um ein altes journalistisches Prinzip hochleben zu lassen: Nachher so tun, als hätte man vorher schon immer alles gewusst. Es führt im Kontext von Popjournalismus dazu, dass alle immer wahnsinnig gescheit tun. Es führt am Boulevard dazu, dass das Gros der dort Beschäftigtet sich in Dummheit verrennt, so wie gestern, als sich auf der Website eines hiesigen Drecksblattes ein namenloser Autor zur Erkenntnis aufschwang, der verstorbene Sänger Ludwig Hirsch hätte „im Lied ‚Komm großer schwarzer Vogel‘ aus dem Jahr 1979 geradezu prophetisch die Umstände seines eigenen Todes vorhergeschrieben“.

Der Amerikaner nennt es uplifting.

Und es führt bei mir dazu, ständig den Faden zu verlieren. Betty Wright – um diese Geschichte zum Ende zu bringen – hat ein solides Album zustande gebracht. Dank ihrer Begleitband verströmt es jenes Knistern klassischer Soulalben, das Amerikaner uplifting nennen. Und Dank Questloves sorgfältiger Produktion fällt sogar auf, welche Songs aus welchen Gründen auch immer sonst noch auf das Album mussten. Es sind jene drei, die man auf Spotify in all ihrer Plattheit getrost überspringen darf.