Ich bin keine Frau. Ich habe graues Haar. Und ich treibe derzeit zu wenig Sport, was ich aber jetzt einmal der Kälte zuschreibe, die mich seit zwei Wochen umgibt. Da soll man ja keinen Sport machen, heißt es. Da wird das Gesunde ungesund, schneller als du laufen kannst.

Außerdem werde ich als Mann nie spüren, was Frauen zum Wunsch nach ewiger Jugend antreibt. Sind es tatsächlich die Bilder von anderen Frauen, die in Hollywoodfilmen spielen? Ist es tatsächlich die Werbung? Haben die tatsächlich keine kritische Distanz zu all dem Kram? Ist es tatsächlich so banal? Ach, lassen wir das lieber, zu gefährliches Terrain, und ich ich habe diese Woche schon einmal vergessen, dass ich mich auf Glatteis befinde, weshalb sich der Ballen meiner linken Hand gerade von violett auf gelbgrün umfärbt. Das reicht mir völlig an Ungemach.

Und mir reicht es auch – hiermit komme ich zum eigentlichen Denkanstoß für diesen Text – den Super-Bowl Auftritt von Madonna vor ein paar Tagen nur einmal angesehen zu haben. Herrgott, war der langweilig in seinem Circus Maximus-Pomp. Kein einziger Moment, der einem in Erinnerung bleiben wird.

Mittelfinger statt Madonna

Es ging mir wohl nicht alleine so, denn die Berichterstattung danach kreiste vor allem um die 36jährige Künstlerin Maya Arulpragasam alias M.I.A., die den Mittelfinger so streckte, dass er für eine halbe Sekunde im Fernsehen zu sehen war. Das liegt zwar vielleicht auch daran, dass Janet Jacksons Brustwarze nicht geladen war, aber nicht nur.

Das Problem lag schon an der eigentlichen Attraktion des Abends, die auf der größtmöglichen Bühne der Welt, 134 Millionen Menschen sahen dem American Football-Finale in Indianapolis allein in den USA zu, ihre Wiederkehr mit Nachdruck ankündigen wollte, dabei aber zeigte, dass ein Cheerleader von 53 Jahren in erster Linie 53 ist, und erst in zweiter Cheerleader. Es geht zwar keinen was an, doch seit dem vergangenen Sonntag wissen wir, dass der „Boah, sieht die noch immer jung aus“-Effekt bei Madonna ab sofort aus bleibt. Das mag zwar nur ein oberflächlicher Nebenstrang der Weltgeschichte sein, doch ich halte ihn für wichtig für den Umgang mit dem Wunsch nach Jugend oder zumindest Jugendlichkeit.

Ab jetzt fährt sogar Madonna mit Rückspiegel. Und dabei hört sie die besseren Songs und sieht die besseren Videos von früher. Sie hat zwar auch zum Playback von „Give Me All Your Luvin“ ihre Lippen bewegt, aber das ist ein ganz grässliches Lied, keinen Cent davon wert, der geflossen ist, um daraus einen zeitgemäßen Madonna-Hit zu formen, wie er vielleicht noch vor wenigen Jahren gelungen wäre. So war der Superbowl-Auftritt auch bei Madonna das, wofür ihn die meisten Kolleginnen und Kollegen ihrer Zunft davor verwendet hatten: die Pflege eines Werkverzeichnisses und Images, das auf vergangenen Leistungen beruht.

Jugend kann man nicht trainieren

Jugend, so könnte man daraus lernen, ist als trotz aller Bemühungen und Zuschreibungen, nichts, was mit dem Morgen zu tun hat. Jugend kann man nicht anziehen, nicht trainieren und nicht nachspielen. Jugend ist irgendwann einmal vorbei.

Auch das ist keine bahnbrechende Erkenntnis, aber es tut sicher weh, sich ihr zu stellen. Die Bilder, die seit ein paar Jahren zu diesem Zweck produziert werden, tun dazu das ihre. Wurde früher noch die Generation Madonna, also alle jenseits der 50, von der Werbung ignoriert, wird sie heute direkt angesprochen. Als ergraute Dynamiker, die vielleicht weniger Sex haben, aber dafür super segeln können. Auch keine würdige Lösung.

Irgendwann landet so jeder bei der Frage, was seinem Alter angemessen ist. Keine Ahnung, ob sich Madonna mit so etwas beschäftigt. Ich kenne die Antworten jedenfalls auch noch nicht. Gelegentlich spüre ich, dass übermäßiger Alkoholkonsum vielleicht nicht mehr angemessen ist. Das müsste ich mir jetzt nur noch merken. Womit ich wieder bei Madonna lande: So wie die bei ihrem Auftritt ausgesehen hat, weiß sie das schon längst, diese kluge Frau im falschen Kostüm. Was auch bedeuten kann: Es kommt ohnehin alles von selbst.

Dieser Artikel erscheint auch auf The European.

Foto: Stephen Luke, Lizenz: CC BY 2.0