Dank des Blowout können amerikanische Ölkonzerne die britische BP aus ihren Gewässern drängen. Und Barack Obama hilft dabei.
Selbstverständlich ist es gut, dass die neue Abdichtkappe auf dem lecken Bohrloch im Gold von Mexiko seit Donnerstag vergangener Woche kein neues Öl mehr ausströmen lässt. Und selbstverständlich ist es kein Grund zur Freude, weil es sich weiterhin um ein Provisorium handelt und niemand zu sagen wagt, dass das Öl ob des Drucks nicht vielleicht doch einen anderen Weg nach oben finden könnte.
So weit, so die aktuellen Ereignisse. Was bleibt, ist die Frage nach den Konsequenzen des Unfalls.
Was wird aus BP? Was wird aus den Offshore-Projekten, die Barack Obama noch ein paar Wochen von der Explosion von Deepwater Horizon genehmigt hat? Und vor allem: Gibt es überhaupt eine Alternative zu Tiefseebohrungen, die sich auch politisch mittelfristig durchsetzen lässt?
Zumindest auf die USA gemünzt scheint es nicht so. Das von Obama verhängte Verbot von Tiefseebohrungen nach dem Unfall samt Blowout gilt weiterhin von einem US-Gericht als aufgehoben. Die derzeit aktiven Bohrinseln im Golf von Mexiko pumpen wie gehabt – und selbst wenn neue Projekte ein paar Monate pausieren müssen, fällt das nicht groß ins Gewicht, denn von der Entdeckung eines Ölfeldes bis zu dessen Ausbeutung vergehen ohnehin Jahre.
Abgesehen davon wird Barack Obama nicht viel anderes übrig bleiben, als die Offshore-Förderung wie Ende März zugesagt auch auszuweiten. Vor den Küsten werden 85 Prozent der amerikanischen Erdölressourcen vermutet. Das mag in Relation zur Weltproduktion noch immer nicht viel sein, doch eine Gewissheit gilt in der Erdölbranche: Tief unter dem Meer lagert fast immer mehr Rohöl als man es sich vor ein paar Jahrzehnten noch zu erträumen wagte. So ist auch laut Darstellung des Erdölkonzerns Chevron die Schätzung über Erdölressourcen im Golf von Mexiko von 1975 bis 2006 auf das Siebenfache nach oben korrigiert worden.
Und es könnte absurderweise gerade der Blowout des Deepwater Horizon-Bohrlochs sein, der die Euphorie ums Öl aus der Tiefsee weiter anheizt.
Dazu eine kleine Rechnung: Amerikanische Ölfirmen förderten 2009 im Golf von Mexiko pro Tag 1,600.000 Barrel Rohöl (siehe dazu diesen Bericht der US Energy Information Administration) Dafür sind 3858 Ölplattformen im Einsatz (Stand Dezember 2009 – wie viele davon tatsächlich in Betrieb sind, ist nicht ersichtlich)
Der als sehr sachlich geltende Experte Steve Wereley rechnet damit, dass während des Blowout rund 72.000 Barrel Rohöl pro Tag in den Golf von Mexiko geflossen sind. (Hier Wereleys Analyse als pdf-File) Das wären immerhin 4,5 Prozent der gesamten US-amerikanischen Tagesproduktion vor Ort – aus einem einzigen Loch.
So ein Loch, das hat mir ein Freund aus der Öl-Branche erzählt (allerdings privat, und daher möchte ich ihn hier nicht namentlich nennen), gilt als verdammt gutes Loch. Und so ein Loch gilt auch als Indiz dafür, dass der BP-CEO Tony Hayward bei der am 6. Mai im Houston Chronicle geäußerten Schätzung, im Macondo-Ölfeld, in dem Deepwater Horizon bohrte, seien 50 bis 100 Millionen Barrel Rohöl zu heben, im Sinne der Krisen-PR ein wenig tiefgestapelt haben könnte.
Der britische Konzern BP ist im Golf von Mexiko nämlich für US-amerikanische Konkurrenten fast schon unerträglich erfolgreich. Am 2. September 2009 etwa hatte der Konzern einen „gigantischen“ Fund im Tiber-Ölfeld verkündet (damals übrigens auch von Deepwater Horizon erbohrt). Als „gigantisch“ gilt alles ab 250 Millionen Barrel, fürs Tiber-Ölfeld wird ein Vorkommen von vier Milliarden Barrel geschätzt.
Angesichts dieser unerwarteten Funde kriegt auch Barack Obamas harte Gangart gegenüber BP – etwa die Verpflichtung zu einem 20 Milliarden Dollar schweren Hilfsfonds – den Touch eines wirtschaftspolitischen Thrillers. Man kann sich schon gut vorstellen, wie Lobbyisten von US-amerikanischen Erdölunternehmen wie Chevron und Exxon die Berater des Präsidenten umgarnen (Er gilt im Fachgebiet Erdöl ohnehin als recht unschlüssig, wie diese Analyse nahe legt). Wie sie erzählen, dass bei ihren Sicherheitsstandards so etwas wie die Katastrophe mit Deepwater Horizon nie passiert wäre. Wie sie erklären, dass die Amerikaner im Golf ohnehin viel zu sehr ins Hintertreffen geraten sind und jetzt sogar schon die Russen kommen. Wie sie warnen, dass man doch Vernunft walten lassen möge, weil sonst die Industrie ihre Bohrtürme aus den USA in andere Länder wie Brasilien verlegt, was Tausende Arbeitsplätze kostet. Und wie sie sich freuen, dass nun BP offensichtlich bereits vor dem Verkauf eines wichtigen Assets steht. Die Hälte des Anteils am Prudhoe Bay-Ölfeld in Alaska – dem größten bisher bekannten Vorkommen der USA – soll an die Apache Corporation gehen, eine Ölfirma mit Sitz in Houston, Texas.
Ja, man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zur Überzeugung zu gelangen, dass für viele in der Branche die Explosion einer von BP betriebenen Plattform ein willkommener Anlass sein könnte, den Konzern zumindest aus den amerikanischen Fördergebieten zu drängen. Und man muss kein Pessimist sein, um zu erkennen, das Barack Obamas harte Worte bloße PR sind, die keine weiteren Tiefseebohrungen verhindern können. Dank Deepwater Horizon weiß die Branche schließlich einmal mehr, dass da unten noch verdammt viel Erdöl liegt. Und jetzt geht es nur mehr darum, wer es schneller herauf holt.